Kommentar:Undeutliche Gefühle

Vielen Bürgern macht das im Aufbau befindliche Flüchtlingszentrums am Fliegerhorst Angst. Ein Grund ist der spärliche Informationsfluss

Von Sebastian Fischer

Der Duden schlägt als Definition für das Wort Angst ein "undeutliches Gefühl des Bedrohtseins" vor. Undeutlichkeit, Ungewissheit - das ist also per Definition Teil dieses Phänomens, von dem jetzt immer mal wieder die Rede ist: Dass Angst grassiere unter den Menschen in Erding angesichts der vielen Flüchtlinge, die bald auf dem Fliegerhorstgelände in einem Durchgangszentrum untergebracht werden sollen. Wie viele? Wann? Wo genau? Wie? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) beantwortet diese Fragen unzureichend - und ist für so manches undeutliche Gefühl verantwortlich.

Zum Beispiel in Langengeisling: Es war eine - mittlerweile verworfene - Option , dorthin den Ein- und Ausgang zum Wartezentrum zu verlegen. Verständlicherweise haben sich die Anwohner gefragt, wie das funktionieren soll, wenn plötzlich so viel mehr Menschen als gewohnt durch ihre Nachbarschaft laufen. Weil die Flüchtlinge sehen möchten, wo sie ihre lange und beschwerliche Flucht nun vorerst hingeführt hat. Weil sie vielleicht etwas einkaufen wollen. Oder weil sie den Bahnhof suchen, da sie so schnell wie möglich weiterreisen möchten. Natürlich ist das eine Situation, die viel Toleranz und Einfühlungsvermögen erfordert. Doch um Angst zu haben, fehlt Entscheidendes: "Bedroht sein".

Klar: Wenn 1500 Menschen, mit unterschiedlichen Denkweisen und ähnlichen Bedürfnissen, gleichzeitig auf engem Raum leben sollen - und sei es nur für bis zu drei Tage - kann niemand für Konfliktfreiheit garantieren. Es ist verständlich, dass Aggressionen entstehen. Doch dafür wird Sicherheitspersonal vor Ort sein. Es ist irrational, daraus Befürchtungen abzuleiten. Angst? Wo vor denn genau? Auch wenn die Flüchtlinge unzufrieden sind und manchen die Gewöhnung an ihr neues Umfeld vielleicht schwerer fallen wird; auch wenn sie Tausende sind und auf einmal nebenan wohnen: Sie bleiben Schutzsuchende, die ihre Heimat nicht grundlos verlassen haben. Die unzureichende Informationspolitik des Bamf ist ärgerlich, keine Frage. Aber sie ist kein Grund, Angst zu haben.

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