Kommentar:Selbstgerecht wie Gutsherren

Die Landkreispitzenpolitiker suchen und finden noch die letzte Möglichkeit, um Flüchtlinge doch zu Menschen zweiter Klasse zu degradieren

Von Florian Tempel

Viele Menschen im Landkreis bemühen sich, Flüchtlinge nicht nur zu unterstützen, sondern sie als Mitbürger zu integrieren. Die Kommunen finanzieren über eine Sonderumlage Deutschkurse, damit ihnen der Start in ein neues Leben gelingt, Ehrenamtliche organisieren gemeinsame Sportaktivitäten, gesellschaftlichen und kulturellen Austausch. Doch was machen die Verantwortlichen im Landkreis? Sie suchen und finden noch die letzte Möglichkeit, um Flüchtlinge doch zu Menschen zweiter Klasse zu degradieren. Unsere Spitzenlandkreispolitiker tun das unter bewusster Umgehung einer eindeutigen Gesetzeslage. Und sie rechtfertigen das auch noch mit erbärmlichen Unterstellungen und Behauptungen.

Die längst überfällige Gesetzesänderung, dass Flüchtlinge fortan nicht mehr mit Sachleistungen abgespeist sollen, sondern das nötige Geld zum Leben in die Hand bekommen, ist das Ergebnis eines Kompromisses im Bundesrat und Bundestag. Im Gegenzug für diese und weitere Änderungen, wie die Aufhebung der Residenzpflicht und Erleichterungen bei der Arbeitssuche, wurden mehrere Balkanländer zu sicheren Drittstaaten erklärt, damit Flüchtlinge möglichst schnell abgeschoben werden können.

Erdinger Politikern reicht das nicht. Sie wollen diesen auf Bundesebene getroffenen Kompromiss nicht akzeptieren und umgehen ihn. In illegitimer Weise benutzen sie ein ins Gesetz eingebautes Schlupfloch. Sie ignorieren ohne vernünftige Begründung die Worte "soweit es nach den Umstände erforderlich ist" - weil es keine vernünftigen Gründe gibt. Sie legen ein Gesetz nach eigenem Gutdünken so aus, als ob es ihnen einen Freibrief gibt, zu tun, wie es ihnen beliebt. Es ist ihnen ganz egal, wie man es rund um den Landkreis Erding sieht. In selbstgerechter, bornierter Gutsherrenart wollen sie Flüchtlinge noch beim Einkaufen von Hosen, Röcken und Schuhen spüren lassen, dass sie sich in diesem Landkreis ganz hinten anstellen müssen. Sie entmündigen Flüchtlinge und verkaufen uns alle für blöd.

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