Kommentar:Lokale Anmaßung

Auf Konsenentscheidungen von Kommunalpolitikern, die Bundesgesetze missachten und verdrehen, kann man herzlich gerne verzichten

Von Florian Tempel

Als das Asylbewerberleistungsgesetz in diesem Jahr geändert wurde, basierte seine Novellierung auf einem breiten Konsens. Das Bundesverfassungsgericht hatte schon Jahre zuvor in einem Urteil angemahnt, dass Flüchtlinge in Deutschland nicht mit weniger als dem offiziell berechneten Existenzminimum abgespeist werden dürfen. Der Bundesrat und die Bundesregierung folgten dem Urteil der Karlsruher Richter 2015 endlich und legten nach gemeinsamen Beratungen auch fest, dass das finanzielle Existenzminimum an die Empfänger bar ausgezahlt werden soll. Den Kommunalpolitikern im Landkreis Erding war das aber egal. Sie beschlossen im Konsens, das Gesetz zu missachten und zu verdrehen. Das ist rückblickend nach wie vor ein schier unglaublicher Vorgang.

Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) macht keinen Hehl daraus, dass er das vom Bundesverfassungsgericht geforderte und von Bundesrat und Bundestag beschlossene Gesetz ganz einfach für falsch hält. Er maßt sich nicht weniger an, als dass seine Meinung mehr zählt als ein Gesetz. Weil ihm als Politprofi aber gleichzeitig klar war, dass eine einsame Entscheidung nach außen hin keinen guten Eindruck macht, holte er im Frühjahr ungemein geschickt die Freien Wähler, die SPD, die Grünen und die ÖDP in sein Boot. Ganz einfach so: Er gab ihnen das schöne Gefühl, an einer Entscheidungsfindung über Parteigrenzen hinweg beteiligt zu sein.

Eingelullt von diesem ganz und gar lokalen Gemeinschaftsgefühl stimmten schließlich alle Bayerstorfers Linie zu. Der Konsens, das beteuerten damals alle, war ihnen dabei am wichtigsten. Dass jedoch alle Beteiligten - ob Christsoziale, Freie Wähler, Sozialdemokraten, Grüne oder Ökologische Demokraten - dabei den bundesweiten Konsens eines Bundesgesetzes ignorierten, spielte keine Rolle. Auf lokalen Konsens diese Art kann man herzlich gerne verzichten.

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