Kommentar:Kommerz geht vor Gesundheit

Medizinische Untersuchungen zum Thema Fluglärm werden einfach nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen wird der Luftverkehr subventioniert

Von Johann Kirchberger

Man könnte glatt depressiv werden, wenn man hört, wie Politiker, allen voran Verkehrsminister Alexander Dobrindt, mit wissenschaftlichen Studien umgehen, die vor den gesundheitlichen Auswirkungen des Luftverkehrs warnen. Solche Untersuchungen werden nämlich schlicht und einfach nicht zur Kenntnis genommen. Weder Fluglärm, noch die Belastung durch Ultrafeinstaub werden als gefährlich angesehen. Ganz im Gegenteil, als gefährlich wird ein strikteres Nachtflugverbot angesehen, weil es Wettbewerbsnachteile bringt. Für schützenswert hält Dobrindt nicht die Menschen und die Natur, sondern die Flughäfen. Oberstes Ziel seines Anfang Mai vorgestellten Luftverkehrskonzepts ist eine Steigerung des Wachstums im Luftverkehr. Deshalb wird die Luftfahrt weiterhin mit vielen Milliarden subventioniert, deshalb wird Kerosin nicht besteuert, deshalb soll die Luftverkehrssteuer reduziert und deshalb sollen die Flugsicherungsgebühren gesenkt werden. Dabei bezeichnet sogar das Umweltbundesamt die Fliegerei als die umweltschädlichste Fortbewegungsart.

Politiker wie Dobrindt tun alles dafür, dass für ein paar Euros durch ganz Europa geflogen werden kann. Der Münchner Flughafenchef Michael Kerkloh rechtfertigt den geplanten Bau einer dritten Startbahn mit den gesteigerten Mobilitätswünschen der Menschen. Dabei lockt er zuerst einmal mit Subventionszahlungen in Millionenhöhe die Fluggesellschaften an und klagt dann darüber, dass es langsam eng wird im Erdinger Moos.

Die Bundesregierung verkündet auf internationalen Konferenzen lauthals ihre Klimaschutzziele, verspricht bis 2050 bis zu 95 Prozent der Treibhaus-Emissionen einzusparen, und hält doch an der Kohleverstromung und am Ausbau des Luftverkehrs fest. Die Luftverkehrsbranche verspricht von 2021 an die CO₂-Emissionen zu kompensieren, das heißt, irgendwo in der Welt ein wenig aufzuforsten. Papst Franziskus hat das jüngst als Heuchelei bezeichnet. Zu befürchten ist, dass die Politiker, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, das anders sehen. Für sie ist und bleibt der kurzfristige wirtschaftliche Erfolg wichtiger ist als der Klimaschutz. Die Schöpfung erhalten, darum soll sich die nächste Generation kümmern. Vermutlich wird es dann aber zu spät sein.

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