Kommentar:Die Zügel fest in der Hand

Landrat Martin Bayerstorfer will Flüchtlingen nicht verbieten, ein Radio zu erwerben

Von Sebastian Fischer

Das Bild ist jetzt da, gemalt mit den Worten des Landrats: Das Bild vom Asylbewerber, der in seinem Zimmer Musik hört, mit einer vom Staat spendierten Stereoanlage. Das Bild könnte falscher kaum sein. Ein Radio ist kein Luxusgut, genauso wenig wie ein Handy oder ein Computer mit Internetzugang. Nur mit Hilfe solcher Informationsquellen können die Flüchtlinge den Kontakt zur Heimat halten, wo in vielen Fällen die Familie ausharrt. Nun will Landrat Martin Bayerstorfer Flüchtlingen nicht verbieten, ein Radio zu erwerben. Doch indem er es als Beispiel anfügt, sagt er ihnen doch: Ich weiß ein bisschen besser, was ihr braucht. Er will eben gerne selbst entscheiden, wofür Flüchtlinge in Erding ihr Geld ausgebenen.

Es ist ein ziemlich beeindruckender politischer Erfolg für Bayerstorfer, dass die Kollegen beim Bezirksparteitag der oberbayerischen CSU seiner Linie folgen, obwohl die Vergabe von Gutscheinen vielleicht nicht rechtens und bislang nur in Erding Praxis ist. Das heißt nicht, dass die Praxis fehlschlagen muss. Es kann funktionieren, dass Asylsuchende alles, was sie zum Leben benötigen, mit Gutscheinen erwerben. In Erding scheint es zu funktionieren: Ein Flüchtling - sagte Bayerstorfer, als wäre das der Beleg der Unfehlbarkeit seiner Idee -, durfte sogar seine Schuhe umtauschen, weil die zu groß waren. Doch entscheidend in der Sache ist etwas anderes. Warum muss mit Kontrolle funktionieren, was auch anders gelingen könnte? Geht es einfach ums Geld? Um 18 832,77 Euro für Schuhe und Kleidung 561 erwachsener Flüchtlinge? Unwahrscheinlich. Es geht wohl um Grundsätzliches: Darum, wer die Zügel in der Hand hält. Die Menschen, die hier Schutz und Perspektive suchen, sind ja je nachdem ein Problem, das es im Zaum zu halten gilt. Oder sie sind Mitbürger, die eine Chance verdienen, sich zu integrieren - selbständig und eigenverantwortlich.

Martin Bayerstorfer hat seine Entscheidung getroffen: Obwohl selbst die Gesetzeshüter der Bundesrepublik mit der Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 1. März 2015 an den Zügeln zerren, hält er sie fest in der Hand.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: