Historischer Verein:Briefe an den Sonnenkönig

Wilhelm Füßl vom Deutschen Museum berichtet im Ebersberger Rathaus von der nicht nur wissenschafts-historisch hoch interessanten Geschichte der Familie von Ernst Mach

Von Friedhelm Buchenhorst, Ebersberg

Bei dem Physiker Ernst Mach (1838 bis 1916) denken viele Menschen gewiss an den "Machschen Kegel", ein bestimmtes Ausbreitungsverhalten des Schalls, etwa wenn etwa ein Kampfflugzeug die Schallgeschwindigkeit überschreitet. Ein Phänomen, das der ahnungslose Mensch am Boden als gewaltigen Knall aus heiterem Himmel wahrnimmt. Ernst Mach zu Ehren wurde später denn auch die Maßeinheit "Mach" als Geschwindigkeitsangabe bei Überschallflugzeugen eingeführt. Ein Mach entspricht dabei der Schallgeschwindigkeit, also etwa 1000 Kilometer pro Stunde.

Aber auch hinter großen Wissenschaftlern stecken immer Menschen mit allerlei Nöten. Der Spruch "Unter jedem Dach ein Ach" gilt auch für Mach, genauer gesagt, für die Familie Mach und insbesondere für das Verhältnis von Ernst Mach zu seinem Sohn Ludwig (1868 bis 1951).

Um mehr über diese Familie zu erfahren, hatte der Historische Verein für den Landkreis Ebersberg nun Wilhelm Füßl eingeladen, Leiter des Archivs des Deutschen Museums und Gestalter der letztjährigen Ausstellung "Licht und Schatten" auf der Grundlage Machscher Nachlassbestände. Von ihm konnten die Zuhörer im gut besuchten Sitzungssaal des Ebersberger Rathauses erfahren, dass die ehemals in Vaterstetten ansässige Familie Mach so manche Geheimnisse birgt, die laut Füßl genügend Stoff für einen "Wissenschaftskrimi" liefern könnten. Die "Verdächtigen": Ernst und Ludwig Mach, "Tatort" ist die noch heute bestehende Villa auf parkgroßem Grundstück in Vaterstetten.

Archiv des Deutschen Museums in München, 2016

Auch in diesem Brief, den Albert Einstein seinem Kollegen Ernst Mach einst schrieb, hat Wilhelm Füßl recherchiert.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Ernst Mach war ein vielseitiger und auch publizistisch sehr reger Wissenschaftler. Nicht nur auf dem Gebiet der Physik war er erfolgreich, auch in den Bereichen Wissenschaftsgeschichte, Physiologie, Pädagogik und Philosophie äußerte er sich mit Beiträgen, die zum Teil selbst heute noch Aktualität besitzen, etwa in Bezug auf den naturwissenschaftlichen Unterricht.

Ernst Mach war aber offenbar auch ein, wie Füßl betont, "schwieriger Mensch". Schon in seiner Herkunftsfamilie gibt es, wie Füßl anhand von Briefen belegen kann, Hinweise auf psychische Probleme. Auch kann man Mach wohl aufgrund seines wissenschaftlichen Ruhmes als Übervater bezeichnen, als einen Sonnenkönig, dem sich alles und jeder unterzuordnen hatte, insbesondere seine fünf Kinder, von denen zwei Selbstmord begangen haben.

Im Vortrag wurde deutlich, dass auch Sohn Ludwig im Bannkreis seines Vaters stand. Weniger Philosoph und Erkenntnistheoretiker, mehr Experimentalphysiker, Techniker, Tüftler und Unternehmer, dabei insgesamt aber nur wechselhaft erfolgreich und teilweise auch von Pech verfolgt, konnte er dem Ideal des Vaters kaum gerecht werden. Seine zeitweise belegte Drogensucht hat möglicherweise hier ihre Ursache.

Nach einem Schlaganfall des Vaters im Jahr 1898 änderte sich das psychische und auch physische Abhängigkeitsverhältnis plötzlich. Ludwig begann, nunmehr von Übermacht und Bevormundung durch den Vater zumindest vordergründig befreit, den Ruhm des Vaters gewissermaßen "anzuzapfen", auszuschlachten und ökonomisch auszunutzen.

Wilhelm Füßl über Familie Mach

Der Leiter des Archivs des Deutschen Museums forschte und referierte zur Familiengeschichte von Ernst Mach.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Delikat und schlüsselhaft für die Familiengeschichte ist wohl auch die Dreiecksbeziehung Ernst Mach, Ludwig Mach und Albert Einstein. Ernst Mach hat durch seine Untersuchungen zur Schallausbreitung wichtige Vorarbeit geleistet zur Einsteinschen Relativitätstheorie, was Einstein selbst auch mehrmals hervorhob, unter anderem in einem kurzen Brief, den Füßl im Machschen Nachlass entdeckt hat und den er nicht ohne Stolz dem Publikum präsentiert. Was für Mach der Schall war, das war für Einstein das Licht - freilich mit den bekannten verblüffenden Konsequenzen, durch die Einstein zum überragenden Jahrhundertgenie wurde. Fühlten sich Ernst und Ludwig Mach hier um ihr wissenschaftliches Anrecht gebracht? Waren sie neidisch auf Einstein? Jedenfalls versuchte Ludwig mit dem von ihm entwickelten Interferometer und unter Ausnutzung des Namens seines Vaters auf dem Vaterstettener Grundstück, die Ergebnisse des berühmten Michelson-Morley-Experiments, infolgedessen Einstein die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit postulierte, zu widerlegen - freilich erfolglos. Unterstützt wurde er dabei durch die nach dem Ersten Weltkrieg verstärkt aufkeimenden antisemitischen Tendenzen, bei denen der "jüdischen Physik" Einsteins eine "deutsche Physik" gegenübergestellt wurde. Allerdings gibt es, wie Füßl auf Nachfrage betont, weder beim Sohn noch beim Vater Mach Belege für eine antisemitische Haltung. Für Ludwig war hier wohl allein die materielle Unterstützung ausschlaggebend.

Insgesamt geht es hier also um eine familiär-psychologisch und wissenschafts-historisch hoch interessanten Angelegenheit, bei der, so Füßl, noch viel Auswertungsarbeit, gerade auch in Bezug auf die überlieferten Briefe, zu leisten sei. Die Zuhörer im Ebersberger Rathaus wurden jedenfalls schon jetzt von Neugier gepackt - und vielleicht können sie bald einen auf realen Ereignissen beruhenden Wissenschaftskrimi zum Fall Mach lesen.

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