Herrmannsdorfer Landwerkstätte:Ethisch gut essen

Slowfood Deutschland in Herrmannsdorf

Im Reifungskeller haben die Herrmannsdorfer Schinken viel Zeit, um einmal richtig gut zu schmecken.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Organisation "Slow Food" stellt "95 Thesen für Kopf und Bauch" vor

Von Theresa Parstorfer, Glonn

Die Schinken hängen eng aneinandergereiht von der Decke, sowie auch die Salamis. Es ist dunkel und kalt und riecht nach trocknendem, mit Gewürzen verfeinertem Fleisch. Einige "Oh" und "Ah" und "der Geruch ist unglaublich" sind zu hören und Handykameras werden gezückt, als sich ungefähr 50 Besucher in den weiß gefliesten Gängen der Schlacht- und Trockenkammern der Herrmannsdorfer Landwerkstätten drängen, um Zeuge zu werden, wie biologisch und ethisch vertretbar Fleisch und Wurst zum Reifen gelagert wird. "Nur der Metzger ist ein guter Metzger, der die Tiere liebt", heißt es auf einem Schild, gleich neben dem Eingang der Schlachtkammern. Und unter diesem Motto ist der gesamte Abend zu verstehen.

Eingeladen hat die "Slow Food" Bewegung Deutschland mit Unterstützung des katholischen Hilfswerkes Misereor. Anlass ist deren Veröffentlichung von "95 Thesen für Kopf und Bauch" - einem mit hübschen Zeichnungen versehenen, gedruckten Manifest, das passend zum gerade zu Ende gegangenen Lutherjahr für die "Reformation unserer Ernährung" wirbt. Während draußen ein Sturm wütet, der einige der Gäste verspätet eintreffen lässt, sitzen Interessierte und Slow-Food-Aktivisten schon in den hell erleuchteten, wohlig warmen Werkstätten bei naturtrübem Bio-Apfelsaft, Kaffee und Punsch. Gespannt lauschen sie zuerst Herrmannsdorf-Chef Karl Schweisfurth, wie er von der Entstehung und Philosophie seines Familienhofes in nun schon dritter Generation erzählt, und anschließend einer Expertenrunde, die über die Bedeutung von Ernährung und Probleme bei der Lebensmittelversorgung diskutiert.

Rupert Ebner, Schatzmeister der Organisation "Slow Food", die sich 1992 ursprünglich als ein Zusammenschluss von Genießern verstand, mittlerweile aber vor allen Dingen für ethisch vertretbaren Lebensmittelkonsum eintritt, plädiert gleich zu Anfang für eine "faire Lebensmittelproduktion", sowohl für Tiere als auch die in der Industrie Beschäftigten. Damit spannt er auch gleich die politische Dimension des Themas auf, während internationaler Besuch aus Indien auf die globale Vernetzung hinweist: Rita Panicker von der Organisation "Butterfly", einer Partnerorganisation von Misereor, die sich für die Unterstützung indischer Straßenkinder einsetzt, spricht über den Zusammenhang der Themen Ernährung, Hygiene, Armut und Bildung. Allein durch ihre Anwesenheit wird jedoch auch klar, dass "wir hier mit Sicherheit eine Wohlstandsdiskussion führen", so die Moderatorin der Gesprächsrunde, Gabi Toepsch vom Bayerischen Rundfunk.

Passenderweise wird im Folgenden die soziale Bedeutung von Essen in einer Gesellschaft des Überflusses wie Deutschland hinterfragt, denn laut Ernährungscoachin Anja Louisa Schmidt, hätten "viele Menschen den individuellen Bezug zu ihrer Ernährung verloren". 35 Milliarden Euro müssten jährlich aufgrund verschiedener Formen der Fehlernährung ausgegeben werden, so Toepsch, während Essen gleichzeitig immer öfter zu zwanghaften "Ernährungsideologien", Ersatzreligionen gleich, avanciere. Als letzter Redner schließt Georg Schweisfurth, der sich als Buchautor ebenfalls mit gesunder Ernährung und Lebensmittelherstellung auseinandersetzt, den Kreis zum politischen Dreh- und Angelpunkt. Die Fragen kreisen besonders darum, wie "Politiker dazu bewegt werden könnten, sich gegen inhumane Produktionsweise einzusetzen", so ein Herr aus dem Publikum. Auch wenn keine allumfassende, zufriedenstellende Antwort auf dieses Problem gegeben werden kann, ertönt zustimmendes Gemurmel, als Schweisfurth sich für individuelles Verantwortungsbewusstsein ausspricht. Jede persönliche Kaufentscheidung sei ein wichtiger Beitrag zu einer grundsätzlichen Veränderung des Systems.

Diesen ermutigenden Appell im Hinterkopf bricht man im Anschluss, über den Umweg in die Schlachtkammern, auf zu einem moralisch einwandfrei produzierten und zubereiteten Abendessen im geräumigen Wirtshaus des Hofes. Serviert wird dampfende Kürbissuppe und das berühmte Herrmannsdorfer Pastrami, das wie Karl Schweisfurth zuvor erklärt hat, nicht nur in Italien, sondern auch im föhnverwöhnten Oberbayern herstellbar sei.

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