Herbstfest Erding:Der vergessene Geburtstag

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Ein spektakuläres Jubiläum: Vor genau 200 Jahren fand in Erding zum ersten Mal eine Landwirtschaftsausstellung statt, der Vorläufer des heutigen Herbstfestes. Es ist damit das drittälteste Volksfest Bayerns

Von Florian Tempel, Erding

Erding ist eigentlich eine geschichtsbewusste Stadt. Doch in einem Punkt muss man sich wundern: Das Herbstfest hat in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag, aber das runde Jubiläum wird sang- und klanglos unter den Biertisch gekehrt - weil man ja schon 2015 mit Blumenkorso und einer Sonderausstellung im Museum gefeiert hat. Vor zwölf Monaten stand die 75. Auflage des Erdinger Herbstfestes an, das seit seiner Geburtsstunde nicht Jahr für Jahr, sondern oft mit größeren zeitlichen Lücken stattgefunden hat. 75 ist sicher auch eine schöne Zahl. Dass dafür aber der dennoch unbestreitbarer 200. Geburtstag gänzlich ignoriert wird, ist sonderbar.

Der Ursprung des Erdinger Herbstfestes ist derselbe wie der des Münchner Oktoberfest. 1810 ordnete König Maximilian die Gründung eines landwirtschaftlichen Vereins in Bayern an. Im gleichen Jahr veranstaltete eben dieser Verein zur Hochzeit von Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen ein Pferderennen auf der großen Wiese in München, die seitdem den Namen der Prinzessin trägt. In den folgenden Jahren fanden auf der Theresienwiese Landwirtschaftsausstellungen statt, die immer mehr Publikum anzogen. Im Distrikt Erding muss spätestens 1813 ein Kreisverein des landwirtschaftlichen Vereins gegründet worden sein. Dass dieser dann 1816 ein Fest ausrichtete, macht Erding nach München und Straubing, wo ein ähnliches bereits 1812 stattfand, zum drittältesten Volksfeststandort in Bayern überhaupt.

Zum Erdinger Ur-Herbstfest gibt es zwei Quellen. Zum einen hat der Erdinger Apotheker Sigmund Lober in seinem Tagebuch festgehalten, wie es war, als am 29. September 1816 in Erding "zum ersten Mal das Kreisfest des ökonomischen Vereins" stattfand. Der Erdinger Historiker Dietmar Schmitz hat Lobers etwa 1200 Seiten umfassenden Tagebücher 2006 im Stadtarchiv wiederentdeckt und neu publiziert. Und so wissen wir, dank Lober und Schmitz, dass beim ersten Herbstfest schönes Wetter herrschte und viele Menschen auf den Beinen waren: "Der Tag war ziemlich günstig und die Volksmenge nicht unbedeutend." Der Platz, auf dem man zusammenkam, war fast genau derselbe wie heute. Lober schreibt von der Festwiese gleich "hinter den Mauern von St. Paul", wo "ein Pavillon neu errichtet und zwei Gezelte aufgeschlagen" waren. Im Mittelpunkt des Geschehens standen dort die Prämierungen von Pferden, Kühen, Schafen und Schweinen.

In der zweiten Quelle, die ebenfalls Dietmar Schmitz wiedergefunden hat, steht noch einiges mehr. Das "königlich-bayerisches Intelligenzblatt für den Isarkreis" berichtete in einem recht ausführlichen Artikel. Hier liest man unter anderem, dass die Erdinger von der "türkischen Musik" - wobei es sich um eine damals beliebte Art von Blaskapelle handelte - schon früh morgens geweckt wurden. Im Laufe des Vormittags "strömte in bunter Menge das Landvolk" in die Stadt, wo zugleich auch "Jahr- und Schrannenmarkt gehalten ward". Die adligen Ehrengäste und Regierungsvertreter wurde beim Dorf Klettham von der Landwehr empfangen und mit Musik bis zur Festwiese begleitet. Dort stand der auch von Lober erwähnte Pavillon, "der zur Aufnahme der hohen Behörden, Adeligen und Honoratioren bestimmt war". Unter "Trompeten- und Pauckenschall" wurden die Preise für die schönsten Zuchttiere verteilt, unter anderem zum Beispiel für den dicksten "Schweinsbär", vulgo Eber. Auf die Preisverleihung folgte ein "Freyschießen" und ein "froher, ungezwungener Ball", bevor das Fest in "allgemeiner hoher Zufriedenheit" endete.

Nach diesem ersten, gelungen Anlauf war allerdings lange nichts mehr los. Das zweite Herbstfest fand erst 1852 statt, da aber schon als mehrtägige Veranstaltung. Bis 1904 folgten nur eine Handvoll weiterer Herbstfeste. Nach einer längeren Pause ging es erst 1928 weiter, bis zur Unterbrechung im Zweiten Weltkrieg. Seit 1949 findet das Volksfest jährlich statt. Von seinem Anfang im September 1816 an gezählt, in diesem Jahr zum 76. Mal.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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