Hallbergmoos:Eine echte Chance im Leben

Hallbergmoos: 150 Essen alleine mittags, in der Küche im Jugendwerk Birkeneck gibt es viel zu tun für (v.l.) Azubi Percy Müller, Küchenmeister Rudolf Reischl, Azubi Ghasem Mohamadi und Koch Christian Schmid.

150 Essen alleine mittags, in der Küche im Jugendwerk Birkeneck gibt es viel zu tun für (v.l.) Azubi Percy Müller, Küchenmeister Rudolf Reischl, Azubi Ghasem Mohamadi und Koch Christian Schmid.

(Foto: Marco Einfeldt)

Jugendliche können im Jugendwerk Birkeneck eine Ausbildung zum Koch absolvieren, kalte Büfetts sind ein Highlight für sie. Fast alle kommen aus schwierigen Verhältnissen und finden mit etwas Glück zu ihrem Traumjob

Von Alexandra Vettori, Hallbergmoos

Die Einsätze "draußen" gehören zur Kür, keine Frage. Solche Aufträge, zuletzt waren es der Neujahrsempfang der Gemeinde Hallbergmoos und die Weihnachtsfeier der CSU, lieben gerade die Auszubildenden in der Küche des Jugendwerks Birkeneck besonders. Man kommt raus und erhält in der Regel viel Lob. Denn das Birkenecker Küchenteam macht sich langsam einen Namen mit seinen feinen Kanapees und Partyhäppchen.

Fünf Lehrlinge gibt es derzeit in der Küche des Jugendwerks, wo mittags täglich rund 350 Essen zubereitet werden, dazu etwa 150 Abendessen und Frühstück. Verköstigt werden nicht nur die 120 Jugendlichen, die in Birkeneck wohnen, sondern auch die Lehrer, die Herz-Jesu-Missionare und Hallbergmooser Kindergartenkinder. An diesem Montag stehen Cevapcici, Saftgulasch und Gemüse mit Geflügelstreifen auf der Karte, abends wird es bayerisches Knödelomelett und Wurstsalat geben. Küchenchef ist Rudolf Reischl, eine imposante Erscheinung, der schon fast 27 Jahre hier wirkt. Viele Jugendliche hat er kommen und gehen sehen, und auch, wenn hier nicht die sanften Lämmlein landen, lässt er auf seine Jungs und Mädels nichts kommen, egal ob straffälliger Jugendlicher oder minderjähriger Flüchtling, "das zählt für mich nicht."

1925 haben die Herz-Jesu-Missionare in dem ehemaligen Jagdschloss der Freisinger Bischöfe eine Fürsorgeerziehungsanstalt eröffnet. Bis heute sind hier minderjährige straffällige Jugendliche untergebracht, seit 2006 gibt es auch eine Clearingstelle. Aus dem ganzen Bundesgebiet werden nach richterlicher Verfügung massiv auffällige Jugendliche nach Birkeneck gebracht, um eine umfassende Diagnostik anzustellen. Sieben geschlossene Plätze gibt es hierfür. Steht die Diagnose fest, folgt die Therapie und gleichzeitig die Reintegration in die Gesellschaft, wozu auch die ans Jugendwerk angegliederte Mittelschule und die zehn Ausbildungswerkstätten dienen. Vor 25 Jahren folgte eine Clearingstelle für jugendliche Flüchtlinge, auch sie können in Birkeneck eine Lehre oder Praktika machen. Meist ist nur Zweiteres möglich, der Sprache wegen. "Und wegen der Bildung, die meisten waren nur ein paar Jahre in der Schule, oft auch nur in der Koranschule, das können nicht mal wir ausgleichen", sagt Wallner.

"Koch war schon immer mein Traumberuf", sagt Percy. Der 19-Jährige strahlt, er ist im dritten Lehrjahr, in fünf Wochen ist Prüfung. "Praktisch ist es kein Problem, aber theoretisch, da habe ich bisschen Schiss, Lernen ist nicht so meins", sagt er. Freimütig erzählt Percy, Birkeneck sei seine letzte Chance gewesen. "Es ist mein 19. Heim, seit ich vier Jahre bin, war ich in Heimen." Er habe "viel Scheiß" gemacht, seine Bewährungsstrafe ende im August, bis dahin habe er ausgelernt. "Die hier in Birkeneck, die haben mir geholfen. Vor allem unser Meister, der macht echt viel mit, da muss man Respekt haben", sagt er. Wo er danach arbeiten möchte, weiß er schon, "der Traum wäre Do & Co, die kochen für Formel 1 und Flugzeuge."

Martin Wallner ist Erziehungsleiter für Küche und Druckerei in Birkeneck, jeder Berufssparte sind pädagogische Betreuer zugeordnet. Sie arbeiten eng mit den Werkstatt- und Gruppenleitern zusammen. Der Anfang hier in Birkeneck ist immer gleich, es geht um Regeln, um den Umgang mit Konflikten. Was die Abbrecherrate anbelangt, sei sie anfangs hoch. "Das liegt aber nicht an dem Beruf, sondern an den Problemen der Jugendlichen", so Wallner, "nach vier bis sechs Monaten wird sie niedriger, und die Gesellenprüfung legen dann 90 Prozent ab."

Das ist es, was Wallner wie Reischl an der Arbeit mit den Jugendlichen lieben: "Wenn die hier rausgehen und sie haben eine Chance im Leben", sagt Reischl und erzählt von ehemaligen Lehrlingen, die ihn immer noch besuchen. Einer, ein Rumäne der ersten Flüchtlingswelle in den Neunzigerjahren, habe jetzt ein Restaurant bei Bukarest, erzählt er. Am Geschirrschrank werkelt Ghasem, der 19-Jährige kommt aus Afghanistan, ist seit dreieinhalb Jahren in Birkeneck und ist, zumindest bis zum Abschluss der Lehre, geduldet. "Alles läuft gut", sagt er in perfektem Deutsch, das er hier in der Mittelschule gelernt hat. Vor drei Wochen war Zwischenprüfung, erzählt er, "ich glaube, ich habe es geschafft, aber ich hab noch kein Ergebnis." Koch, sagt er, sei sein Traumberuf.

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