Grabungen am Gaugrafenweg:Der Ursprung Erdings

Eine Doktorarbeit befasst sich mit der Befestigung eines frühmittelalterlichen Königshofes. In Altenerding sind Gräben aus dem 8. Jahrhundert zu sehen

Von Antonia Steiger, Erding

Noch zwei Wochen graben Studenten der Ludwig-Maximilians-Universität München mitten in Altenerding nach Überbleibseln längst vergangener Zeiten. Sie spüren einem frühmittelalterlichen Königshof und seinem Umfeld hinterher, der am heutigen Gaugrafenweg stand. Er ist der historische Ursprung Erdings. Dass Karl der Große (747 bis 814) an der Sempt einen Gerichtstag abgehalten hatte, ist in Urkunden belegt. Den Archäologen ist es zu verdanken, dass man nun auch weiß, wo dieser Hof stand: in der Semptschleife südlich der Ardeostraße.

Seinen Ursprung hatte der Hof schon im 7. oder 8. Jahrhundert unter dem Herrschergeschlecht der Agilofinger, bevor Karl der Große das Fränkische Reich annektierte. Es müsse damals bereits Straßen und Gebäude gegeben haben, sagte Professor Bernd Päffgen am Freitag bei einem Pressetermin, andernfalls hätte Karl der Große hier nicht eine Gerichtsversammlung abgehalten. "München gab es damals noch nicht." Die Lage des Königshofes ist seit 2010 geklärt, als die Familie Zellner neben der jetzigen Ausgrabungsstelle ein Haus gebaut hatte. Archäologische Untersuchungen vor dem Bau brachten Überbleibsel des Königshofes zutage, unter anderem eine mit einer Länge von 25 Metern als repräsentativ zu geltende Halle. Die jetzigen Ausgrabungen befassen sich mit der Befestigung der Anlage: Im Erdreich sind auch für Laien anhand dunkler Verfärbungen zwei Gräben erkennbar. Dazwischen befand sich ein vier bis fünf Meter hoher Wall.

Der Besitz ging später an das Erzbistum von Salzburg, das die Befestigungen einebnen ließ, wie der Doktorand Marc Miltz erläuterte. So erklärt er sich die Tatsache, dass dort, wo der Wall stand, auch Reste von sogenannten Grubenhäusern zu finden sind: Häuser, die später bis zu eineinhalb Meter tief in den Boden gebaut wurden. Damit schufen die Menschen bessere klimatische Bedingungen für ihre handwerkliche Betätigungen. Überbleibsel von Spinnereien, Eisenwerkstätten, Landwirtschaft und Keramikscherben haben die Archäologen schon gefunden.

Die Ausgrabungen und die Doktorarbeit von Marc Miltz gehört zu dem Projekt "Erding im ersten Jahrtausend", mit dem die Stadt Erding, die LMU und weitere Partner die Frühgeschichte und die Entstehung Erdings erforschen. Eine weitere Doktorarbeit wird sich mit der Entstehung der Stadt Erding befassen, dazu wird ein Doktorand wohl im kommenden Jahr an der Landshuter Straße 4 gegenüber dem Rathaus referieren. Es ist ein glücklicher Umstand, wie Päffgen erläuterte, dass die mittelalterliche Stadt Erding nicht auf den Ursprung Erdings draufgebaut wurde, den Königshof aus der Karolingerzeit. Das liegt daran, dass Kaiser Arnulf den Hof an das Erzbistum Salzburg verschenkt hatte. So konnten die Wittelsbacher dort keine Stadt gründen, Erding musste sich an anderer Stelle in der Nähe entwickeln. Dass an der Landshuter Straße weitere Zeugnisse gefunden werden, daran herrscht für die Archäologen nicht der Hauch eines Zweifels. "Hier liegt überall was rum." Ein weiterer Unterschied zu anderen Kommune ist, wie Päffgen sagte, dass nicht nur die Stadtpolitik den Archäologen Zeit und Raum gibt, sondern dass auch Museumsleiter Harald Krause und auf ehrenamtlicher Basis der Archäologische Verein und der Arbeitskreis Archäologie mitarbeiten - so wie in diesen Tagen am Gaugrafenweg.

Zum Herrschaftskomplex des frühmittelalterlichen Könighofes, der mit einem kleinen Industriegebiet wirtschaftlich autark gewesen ist, gehörte laut Miltz und Krause aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Peterskirche auf dem Petersbergerl auf der anderen Seite der Sempt. Die alte Kirche wurde 1960 abgerissen, sie war wohl zu diesem Zeitpunkt eines der ältesten Gebäude des Landkreises. Ihr Vorgängerbau war vermutlich die erste christliche Kirche in der weiteren Umgebung.

Öffentliche Grabungsführungen finden an den Dienstagen, 17. und 24. August, statt, jeweils von 13 Uhr an. Die Grabungsfläche liegt neben dem Gaugrafenweg 6. Feste Schuhe empfohlen, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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