Glonn:Symbiose statt Schlachtfabrik

Bei einem Besuch von Landwirtschaftsminister Brunner präsentieren die Herrmannsdorfer Landwerkstätten ihr Konzept

Von Anselm Schindler, Glonn

So ein Rummel herrscht selten, hier auf den Weiden der Herrmannsdorfer Landwerkstätten, rund einen Kilometer östlich von Glonn. Besuch aus dem bayerischen Landwirtschaftsministerium steht zwischen den Schweinen im Matsch. Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) ist gekommen, um sich über das landwirtschaftliche Konzept des Hofes zu informieren, doch die Tiere scheinen sich nicht viel um die Minister-Visite zu scheren. "Na komm", raunt der Minister den Schweinen zu, steigt über den Elektrozaun. "Komm!", dieses mal mit mehr Nachdruck. Doch die borstigen Tiere grunzen nur und wenden sich ab.

Um die 80 Hektar gehören zum Gehöft der Landwerkstätten, eine Fläche, die rund 160 Mal größer ist, als der Münchner Marienplatz. 600 Schweine werden hier herangezüchtet, fünf werden pro Woche geschlachtet. Das ist verhältnismäßig wenig, doch in Herrmannsdorf strebt man nicht nach Masse. Dabei ist es gar nicht so lange her, da ging es auf dem Hof noch recht konventionell zu. Karl Ludwig Schweisfurth übernahm nach dem zweiten Weltkrieg den Hof von seinem Vater. An Bio, Öko und Tierschutz war zu dieser Zeit nicht zu denken. Über die Jahrzehnte rüstete der Hof immer mehr auf, die hofeigene Metzgerei wurde zur Fleisch- und Wurstfabrik mit Fließbandarbeit. Bis zu 300 Schweine konnten stündlich geschlachtet werden, zugekauft wurden sie aus Mastbetrieben. Der Hof in Herrmannsdorf wurde schnell zu einem der größten Fleischwaren-Fabrikanten in Europa.

Seine Kinder konfrontierten Karl Ludwig Schweisfurth deshalb immer wieder mit Vorwürfen. Das war in den 80iger Jahren; zumindest in einem Teil der Landwirtschaft begann damals ein Umdenken. Der Bio-Boom machte anderes Landwirtschaften rentabel. Und so beschloss Schweisfurth, andere Wege zu gehen. Inzwischen sind seine Haare grau, vor etwa 20 Jahren übernahm sein Sohn Karl die Geschicke des Hofes. Der Vater feilt derweilen unermüdlich an seinen Ideen. Eine dieser Ideen findet auf einer Weide Umsetzung, auf der Helmut Brunner an diesem unwirtlichen Freitag-Nachmittag steht. Brunner lässt den Blick über die Weide streifen, "die sind immer draußen", erklärt ihm Karl Schweisfurth und deutet auf die Schweine, die gerade im Schlamm wühlen.

Einige Hühner gackern den teils 130 Kilogramm schweren mächtigen Tieren hinterher, "das ergänzt sich hier alles", sagt der junge Schweisfurth stolz. Denn die Schweine verschrecken Fuchs, Marder und diverse Greifvögel, die es auf das Leben der Hühner abgesehen haben. Dafür nähmen sich die Hühner der Parasiten auf der Haut der Schweine an, wenn diese schliefen, erklärt Karl Schweisfurth. Und auch, was die Fütterung betreffe, hat diese Haltung, bei der auch Rinder und Gänse mit von der Partie sind, Vorteile gegenüber der konventionellen, getrennten Haltung in Ställen: Die Schweine lockern mit ihren Rüsseln den Erdboden auf, die Hühner gelangen dadurch an eiweißhaltige Würmer und Insekten, die sich darunter verstecken. Synergieeffekt nennt man so etwas heute, oder Symbiose. Doch die ist keine Erfindung der Neuzeit, erst die moderne Landwirtschaft pferchte verschiedene Arten in getrennte Ställe. Der Weg zurück zu natürlicheren Formen der Landwirtschaft hat freilich seinen Preis: Für 30 Cent pro Stück geben die Herrmannsdorfer die Eier ab, 60 Cent kostet das Ei dann im Geschäft. "Ein stolzer Preis", attestiert Minister Brunner, aber es funktioniert.

An manchen Tagen sitzt Karl Ludwig Schweisfurth auf einem Hochsitz nahe der Weide, er nennt ihn seinen "Lehrstuhl". Dem Mann hängt etwas Philosophisches an, unentwegt rattert es in dem Kopf unter dem großen Hut. Schweisfurth stammt aus einer Gesellschaft, die sich mit Schlachtmessern der Natur bemächtigt hat. Es ist auch diese Arroganz gegenüber der Natur, die ihn abstößt, er betrachte das, was er von der Natur gelernt habe als Geschenk, sagt er.

Die Schere zwischen konventioneller Landwirtschaft und Betrieben wie Herrmannsdorf wird größer. Dazwischen steht das Landwirtschaftsministerium, das trotz aller Sympathien für Ökologie auch die Interessen der konventionellen Landwirte vertreten muss. In Nuancen ist das herauszuhören aus der Rede, die Helmut Brunner in der Werkstatt des Hofes halten wird: "Wir haben in Bayern 110 000 bäuerliche Betriebe, das ist eventuell nicht für alle was".

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