Gerichtsverhandlung:Überfordert mit dem Hund und dem eigenen Leben

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Junge Frau wegen Tierquälerei angeklagt, weil sie kranken Vierbeiner nicht zum Arzt brachte. Richter sieht keine Absicht

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Für Amtsrichter Michael Lefkaditis stand am Schluss der Verhandlung fest: "Sie haben es nicht wegen einer rohen Gesinnung gemacht und auch nicht bewusst. Was passiert ist, ist ein Ausdruck ihrer Überforderung und mangelnder Unterstützung. Auch im Leben". Die heute 21-jährige Angeklagte hatte einen Hund, den sie im Sommer 2016 bekommen hatte, fast ein Jahr nicht die notwendige tierärztliche Behandlung zukommen lassen, obwohl sie von Anfang an gewusst hatte, dass er an einer Hauterkrankung leidet. Letztendlich waren in der Nähe wohnende Tierschützer auf den unter immer stärker leidenden Hund aufmerksam geworden und das Landratsamt war eingeschritten. Die damals 20-Jährige wurde zu 28 Stunden Sozialdienst sowie zehn Beratungsstunden bei der Jugendhilfe verurteilt. Zudem muss sie die Kosten des Verfahrens übernehmen. Dem Hund soll es wieder gut gehen, er soll zurück im Heim sein.

Für Amtsrichter Lefkaditis war die junge Frau, die mit ihrer Mutter, aber ohne Verteidiger gekommen war, keine Unbekannte. Sie war 2014 und 2016 schon vor Gericht gestanden. Zweimal wegen Diebstahls. Zudem hatte sie es mit der Schulpflicht nicht so genau genommen. Etliche Bußgeldbescheide wegen Schwänzens waren aber unbezahlt geblieben. Auch damals war sie als "erzieherische Maßnahme", so wie es das Jugendstrafrecht vorsieht, zum Ableisten von Sozialstunden verurteilt worden. Wie sehr die Dinge in ihrem Leben wohl im Argen liegen, ließ der Amtsrichter nach dem nichtöffentlichen Bericht der Jugendgerichtshilfe anklingen. "Sie brauchen in einigen Bereichen Unterstützung, da Sie überfordert sind."

Das dies auch bei dem kleinen Hund war, den sie im Sommer 2016 zu sich holte, zu einem anderen kleinen Hund, den sie schon ein Jahr hatte, gab die Angeklagte selber zu: "Ja, das war schon verantwortungslos von mir. Ich habe zu spät reagiert."

Zu spät alleine insofern, dass das Tier von Anfang an tierärztlich behandelt hätte werden müssen. Die Staatsanwältin hielt ihr in der Anklageschrift vor: Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, der müsse das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Da sie nicht rechtzeitig zum Tierarzt gegangen sei, habe der Hund "Schmerzen erlitten, die Sie billigend in Kauf genommen haben" - ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Die Angeklagte führte zur Entschuldigung an, dass sie mit Allergiefutter und Naturheilmittel versucht habe, die Krankheit zu behandeln. Aber dass das wohl der falsche Weg gewesen sei. Sie habe aber auch die teuren Tierarztrechnungen gescheut, gab sie zu.

Die Staatsanwältin hielt ihr zu Gute, dass sie sich immerhin größtenteils geständig zeige und dass der Hund wohl keine dauerhaften Schäden erlitten habe. Zu "ihrem Glück" sei sie damals noch nicht 21 Jahre alt gewesen, zudem habe der Bericht der Jugendgerichtshilfe gezeigt, dass sie noch keine Heranwachsende sondern immer noch eine Jugendliche sei. Deshalb brauche sie Hilfe, um Struktur in ihr Leben zu bekommen. Auch von jemanden wie der Schuldnerberatung, da die 21-Jährige Schulden hat, deren Höhe sie selber gar nicht mehr kenne.

Auch Amtsrichter Michael Lefkaditis sah dies so. "Wenn man ein Tier übernimmt, dann hat man auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, und das bedeutet Anstrengung." Deshalb benötige es erzieherische Maßnahmen, die sie nicht als Strafe ansehen soll, sondern als Hilfe, ihr Leben in Griff zu bekommen. Auch beim Thema Schulden, "denn alleine werden sie das nicht mehr schaffen", so Richter Lefkaditis.

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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