Gerichtsverfahren:Streit im Sinne des weihnachtlichen Friedens beendet

Richter Wassermann stellt ein Verfahren wegen Beleidigung ein. Die Nachbarn sollen sich zukünftig aus dem Weg gehen

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Streit unter Nachbarn wird in Deutschland immer häufiger auch zu einem Problem, mit denen sich die Gerichte befassen müssen. Nach Umfragen sagt jeder Dritte, dass er sich schon mal mit seinem Nachbarn gestritten hat. Oft geht es dabei um Beleidigungen, wie jüngst am Amtsgericht Erding. Doch ehe dort der Streit zwischen den beiden Parteien im Gerichtssaal zuletzt weiter fortgeführt hätte werden können, schlug Richter Andreas Wassermann eine salomonische Lösung vor: Das Verfahren wird gegen eine Geldzahlung von 300 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt, womit der Angeklagte die Chance habe, kurz vor Weihnachten noch eine gute Tat zu tun und das Gericht sich selber die Befragung von insgesamt neun Zeugen ersparte.

Der Angeklagte hatte angeblich eine Nachbarin am 29. Juli diesen Jahres beleidigt. Auf Türkisch, denn es handelt sich um zwei türkische Familien, die schon länger in Erding wohnen. Der Angeklagte lebt mit seiner Familien in der Siedlung seit rund 20 Jahren, die Nachbarin mit ihrer Familie seit rund sieben Jahren. Und seitdem wird offenbar gestritten - und es wurde auch schon vor drei Jahren einmal Anzeige erstattet. Damals allerdings vom Angeklagten.

In der Regel entzündet sich der Streit über die Kinder, wie der 52-jährige Angeklagte sagte. Seine jüngern Kinder, würden nämlich von den Kindern der Klägerin ständig am Spielplatz "gemobbt", angestachelt von der Frau vom Balkon herab. Auch an dem besagten Tag sei dies so gewesen. Deshalb habe er zu einem Kind der Klägerin gesagt, dass es doch bitte seinem Vater sagen soll, dass der heraus kommen soll. Damit man sich mal ausspreche. Dazu kam es aber offenbar nicht.

Laut dem Angeklagten kam es dafür zu einem Wortgefecht auf türkisch vom Balkon herab, bei dem er selber beleidigt worden sei. Er habe dann ein türkisches Sprichwort benutzt, das man unterschiedlich auslegen könne. Den Satz, den man ihm vorwerfe, haber er nie im Sinn gehabt, sondern mehr die Aussage gemeint, dass sie ihm wo vorbei gehe. Er selber sei das Opfer, nicht die Klägerin.

An dem Punkt wurde es problematisch. Nachdem zuvor alle Zeugen erklärt hatten, dass sie genügend Deutsch könnten, um ohne Dolmetscher auszukommen, war dieser - da er sowieso erst später kommen hätte können - ausgeladen worden. Wie der Satz in Türkisch tatsächlich gemeint sein könnte, blieb deswegen offen. Und die Wahrheitsfindung durch Zeugen wäre wohl ebenfalls sehr schwer geworden.

Spätestens an dem Punkt platzte der Staatsanwältin ein wenig der Kragen. Für sie stelle es sich so dar, dass der Angeklagte es zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass seine Aussage auch im Sinne der Anklage verstanden hätte werden können. Ihrer Meinung nach sollten diese Nachbarschaftsstreits gefälligst untereinander geregelt werden und nicht die Gerichte bemüht werden. Die würden genügend anderes zu tun haben.

Auch Richter Wassermann sah dies so, verstand aber, dass der Angeklagte Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte. 1200 Euro Strafe waren für Wassermann "schon extrem hoch". Im Sinne des weihnachtlichen Friedens schlug er die Einstellung des Verfahrens gegen eine Spende des Angeklagten in Höhe von 300 Euro für die "Roten Nasen" vor, einem Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in Krankenhäusern und Pflegeinstitutionen kranken Menschen mittels speziell ausgebildeten Clowns wieder Hoffnung und Lebensmut zu schenken. Und die Nachbarn sollten sich in Zukunft einfach aus dem Weg gehen.

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