Gericht:Unter Alkohol wurde er zum üblen Schläger

19-jähriger Dorfener muss für 16 Monate ins Jugendgefängnis - wegen seiner Vorstrafen und weil die innere Einsicht fehlt

Von Florian Tempel, Erding

Viele sind der Meinung, das Jugendstrafrecht sei grundsätzlich eine weichere Form des Strafrechts. Der Richter spricht einige strenge Worte, brummt den Delinquenten am Ende aber nur ein paar Sozialstunden auf. Das mag tatsächlich oft so sein. In manchen Fällen greift das Jugendstrafrecht jedoch auch hart durch. Wie bei einem 19-jährigen Mann aus Dorfen, den das des Amtsgericht Erding am Dienstag zu 16 Monaten Jugendgefängnis verurteilt hat.

Der Angeklagte hatte am Nachmittag des 10. August in Erding mit vier Freunden reichlich getrunken. Einer der Spezln hatte Geburtstag, es gab es eine halbe Flasche Wodka und eine Flasche Sekt für alle sowie für jeden einzelnen mehrere Halbe Bier. Mit gut zwei Promille im Blut trabte der Angeklagte dann am Abend, zurück in Dorfen, zum Volksfest. Am Rande des Festplatzes bemerkte er einen Bekannten und grüßte ihn. Allerdings übersah er seine schwangere Freundin, die neben dem Bekannten stand. Diese machte ihm daraufhin Vorwürfe, "was das soll, dass ich sie nicht erkenne". Das missfiel wiederum dem 19-Jährigen, der mit seiner Freundin in einen heftigen Streit geriet. Er wurde dabei so aggressiv, dass eine Gruppe junger Menschen sich schützend vor die Schwangere stellte. Eine 44 Jahre alte Dorfenerin, deren Tochter in diesem Pulk dabei war, ging aus Sorge, der Angeklagte werde gleich ihre Tochter schlagen, dazwischen. Der Angeklagten beleidigt sie dafür übel und drohte ihr selbst Schläge an. Im gleichen Augenblick versuchte ein mutiger 16-Jähriger, den Wüterich zurückzuhalten, indem er ihn am Arm packte. Der Angeklagte quittierte ihm das mit einem Faustschlag ins Gesicht. Es brauchte schließlich mehrere Volksfestordner, um den Angeklagten unter Kontrolle zu bringen.

"Es tut mir wirklich leid", entschuldigte er sich nun artig vor Gericht bei der von ihm beleidigten Frau sowie bei dem von ihm geschlagenen Teenager. Beide nahmen seine Entschuldigungen an. Eine anständige Geste des Angeklagten, aber für das Gericht kaum von Bedeutung.

Das Entscheidende in seinem Fall war sein Vorleben. Er stand bereits zum vierten Mal binnen zwei Jahren wegen Körperverletzung vor Gericht. Aus einem Prozess las der Vorsitzende Richter Michael Lefkaditis aus den Akten vor. Der Angeklagte, der damals noch am Bodensee lebte, hatte sich im Sommer 2013 bei einem Volksfest in Friedrichshafen voll laufen lassen. Auf dem Heimweg forderte er von einem anderen Betrunkenen, der mit seinem Fahrrad in einen Straßengraben umgekippt war, 70 Euro Bargeld. Als jener sich weigerte, ihm Geld zu geben, verprügelte er ihn massiv. Das Amtsgericht Ravensburg verurteilten ihn dafür zu zehn Monaten Jugendstrafe auf Bewährung und hundert Stunden Sozialdienst, und wies ihn an, nicht mehr in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken.

In der Erörterung seines Lebensweges hieß es in diesem Urteil, dass der Angeklagte bereits seit dem 14 Lebensjahr ein Alkoholproblem habe. Seine familiären Verhältnisse waren äußerst schwierig und traurig. Das Jugendamt hatte ihn im Alter von einem Jahr seinen Eltern weggenommen und bei seinen Großeltern untergebracht. Später kam er in eine Jugendhilfeeinrichtung. Er hatte schlechte Noten in der Schule, schmiss ein Berufsvorbereitungsjahr, mehrere Praktika und ein freiwilliges soziales Jahr. Aktuell bezieht er Hartz IV-Leistungen und lebt bei seiner Freundin, die vor wenigen Wochen ihr gemeinsames Kind zur Welt gebracht hat. Dass er nun Vater sei, sagte der Angeklagte, gebe ihm "eine neue Perspektive" für sein Leben.

Das Gericht sah das nicht so. Richter Lefkaditis sagte, wegen der Vorstrafen und, weil "von einer tiefergehenden Einsicht nicht zu sehen" sei, müsse er ins Jugendgefängnis. Was aber auch eine Chance sei: Zum einem werde so sicher gestellt, dass er keinen Alkohol mehr trinke. Zum anderen sei zu hoffen, dass er sich im Jugendknast "beruflich und charakterlich weiterentwickeln" werde.

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