Gemeinsames Kulturprogramm:Ende der Koexistenz

Exodus

Szene an der Front in Ras al Ayn, wo die bewaffnete kurdische Miliz YPG gegen die islamistische al-Nusra-Front kämpft. Das Foto ist Teil der Ausstellung von Andy Spyra im Frauenkircherl Erding.

(Foto: Andy Spyra)

VHS, KBW, Bücherei und ÖGE thematisieren das Verschwinden des Christentums aus dem Nahen Osten mit einer Vortragsreihe und einer Ausstellung des renommierten Fotografen Andy Spyra

Von Thomas Daller, Erding

Das Verschwinden des Christentums aus dem Nahen Osten ist Thema einer ambitionierten Veranstaltungsreihe, bei der die Volkshochschule, das Katholische Bildungswerk, die Stadtbücherei und der Ökumenische Gesprächskreis Erding kooperieren. Die Ausstellung des preisgekrönten Fotojournalisten Andy Spyra im Frauenkircherl ist Auftakt und ein Highlight zugleich. Vorträge, Lesungen und Zeitzeugengespräche sowie eine ökumenische Vesper mit Weihbischof Bernhard Haßlberger bilden das Begleitprogramm.

Eine große Vielfalt kennzeichnet das Christentum im Vorderen Orient. Es gibt allein 22 katholische Kirchen, die von Rom anerkannt sind, und sehr viele orthodoxe. Aber der religiöse Pluralismus schwindet, hunderttausende Christen fliehen, allein im Libanon scheinen sie derzeit vor Verfolgung sicher zu sein. Dieses Thema greift Andy Spyra in seiner Fotoausstellung "Exodus" auf. Seit 2011 hat er immer wieder den Nahen Osten bereist, um diese Entwicklung mit der Kamera zu dokumentieren. Die Vernissage der Ausstellung ist am Freitag, 22. Februar, 19.30 Uhr im Frauenkircherl. Die Bilder sind bis einschließlich Mittwoch, 28. Februar, täglich von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Der renommierte Kirchenhistoriker Karl Pinggera hält am Samstag, 24. Februar, 14 bis 16 Uhr, in der Volkshochschule Erding einen Vortrag zum Thema "Kirchen im Irak - eine Kulturgeschichte des Orients". Am Sonntag, 25. Februar, 16 Uhr, folgt eine ökumenische Vesper mit Weihbischof Haßlberger, dem evangelischen Pfarrer Roland Fritsch sowie einem orientalischen Geistlichen, mit dem man noch im Gespräch sei.

Aus erster Hand wird die 32-jährige Autorin Elisabeth Fleckenstein in ihrem Vortrag und Zeitzeugengespräch über "Christen im Nahen Osten als Friedensbrücken in schwierigen sozialen sowie politischen Umständen" berichten. Die Referentin, die ihren Vortrag am Montag, 26. Februar, in der Stadtbücherei Erding von 16.30 bis 18 Uhr hält, wurde in Jerusalem geboren und ihre Familie lebt noch dort. Ihr Onkel ist Priester, ihre Eltern sind Reiseleiter für Pilgerreisen. Die junge Sozialpädagogin war unter anderem bereits Beraterin beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem und engagiert sich in der Flüchtlingsarbeit. Der Eintritt kostet vier Euro, Inhaber der Erdinger Kulturkarte erhalten bei allen Veranstaltungen Ermäßigung.

"Vielfalt in der Einheit. Die christlichen Ostkirchen und ihre Strukturen" ist das Thema, mit dem sich der Kirchenrechtler Burkhard Josef Berkmann beschäftigt. Er hält seinen Vortrag am Montag, 26. Februar, 19.30 bis 21 Uhr, im Johanneshaus.

Ein weiterer interessanter Programmpunkt ist die Lesung des Journalisten Najem Wali aus seinem Buch "Bagdad: Erinnerungen an eine Weltstadt". Sie findet am Mittwoch, 28. Februar, 19.30 bis 21 Uhr in der Stadtbücherei Erding statt, der Eintritt kostet acht Euro. Wali war in den 1970er Jahren Student der Literaturgeschichte in Bagdad und hat die Stadt als sehr tolerant und weltoffen erlebt. Nachdem er seinen Wehrdienst absolviert hatte, begann der Irak-Iran-Krieg, vor dem er dann nach Deutschland geflohen ist. In seinem Buch, in dem er auf sehr vielen Ebenen erzählt, beschäftigt er sich mit der kulturellen Vielfalt von einst, die immer mehr zugedeckt wurde und schließlich verloren ging.

Den Abschluss der Veranstaltungsreihe bildet eine weitere Lesung in der Stadtbücherei am Donnerstag, 1. März, 20 bis 22 Uhr. "Der Bischof von Arabien" des Nahost-Experten Simon Biallowons handelt von der Reise des Schweizer Kapuzinerbischofs Paul Hinder durch Arabien, bei der ihn Biallowons begleitet hat. Hinder betreut das Apostolische Vikariat Südarabien, welches die Länder der Vereinigten Arabischen Emirate, den Oman und Jemen umfassen. Mit über 900 000 Quadratkilometern ist es eines der flächengrößten Bistümer. Während es im Jemen noch einheimische Christen gibt, findet man in den Emiraten nur christliche Migranten. Daher betrachtet sich Hinder auch als Migrantenseelsorger, dessen Schäfchen sich in diesen Ländern häufig am Rand der Gesellschaft befinden, aber einen starken Zusammenhalt haben.

Claus Lüdenbach, Leiter der Volkshochschule und Koordinator der Veranstaltungsreihe, will dazu beitragen, dass das Verschwinden der Christen aus dem Nahen Osten nicht in Vergessenheit gerät. Der Vordere Orient sei die Wiege des Christentums und "wenn es dort verschwindet, ist das nicht nur traurig, sondern wir werden damit auch ein Problem haben". Über Jahrhunderte hinweg habe diese Koexistenz eine kulturelle Blüte hervorgebracht. Erst mit dem westlichen Imperialismus und dem dadurch erstarkenden arabischen Nationalismus sei dieser Kulturtransfer verloren gegangen.

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