Gastronomie in Erding:Düstere Aussichten

Gastronomie in Erding: Nicht nur Bernhard Rötzer, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands, klagt darüber, keine Lehrlinge zu für seinen Betrieb zu finden.

Nicht nur Bernhard Rötzer, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands, klagt darüber, keine Lehrlinge zu für seinen Betrieb zu finden.

(Foto: Renate Schmidt)

Der Gastronomie im Landkreis läuft der Nachwuchs weg. Die Ausbilder fürchten, dass es viele Gaststätten nicht mehr lange geben wird

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Fast jede zweite Ausbildungsstelle im Bereich Gastronomie und Verkauf im Landkreis ist unbesetzt. Nur im Baugewerbe sieht es ähnlich schlecht aus. Dort sind 41 Prozent der Lehrstellen offen, wie ein Forschungsprojekt zum Ausbildungsmarkt des Instituts für Bildungsforschung an der Hochschule für angewandtes Management in Erding zeigt. Nur sechs Prozent aller Schulabgänger können sich vorstellen, im Bereich Verkauf, Gastronomie, Service zu arbeiten. Die Zukunft der Gastronomie im Landkreis, wohl sogar deutschlandweit, sieht düster aus.

Noch 2010/2011 hatte die Berufsschule Erding, die Auszubildende aus den Landkreisen Erding, Freising, Ebersberg-Nord und Teile des östlichen Landkreises München hat, 76 angehende Köche und 114 im Bereich Hotel, Gastgewerbe und Systemgastronomie. Zurzeit sind es nur noch 42 Köche und 84 aus dem anderen Bereich.

"Mich wundert das nicht", sagt Bernhard Rötzer, Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands. "Es will sich ja keiner mehr die Hände schmutzig machen, alle sind im Bildungswahn. Und das Handwerk, wie zum Beispiel Kochen, bleibt auf der Strecke." Auch Maria Bäumel und Gabriele Kronseder vom Bereich Gastronomie an der Staatliche Berufsschule Erding beobachten diese Tendenz. "In Deutschland wird die Akademisierung zu sehr geschätzt", sagen beide. Auch für sie ist die Zukunft der Gastronomie "unsicher" - zumindest was die Ausbildung von deutschen Kräften betrifft.

Arbeiten an Wochenenden, abends, allgemein zu Zeiten, an dem die Freunde frei haben. Dazu komme, so Rötzer, dass ein Job in der Gastronomie auch mit viel Stress verbunden sei - vor allem am Mittag oder am Abend, wenn Hochbetrieb im Lokal herrsche. "Eine Beziehung zu führen ist da oft schwierig, überhaupt soziale Kontakte zu pflegen. Viele machen sich auch eine falsche Vorstellung von der Arbeit. Was in Kochshows gezeigt wird, ist doch nicht die Realität", schimpft der Kreisvorsitzende, der selber den Gasthof zur Post betreibt. In seiner Kritik, die Realität nicht zu sehen, schließt er die Berufsinformationszentren nicht aus. "Wenn man mir lernschwache Jugendliche schickt, dann weiß ich, dass der das nicht packt. Nicht, weil er nicht mag oder so, sondern, weil der Job in der Küche ein Knochenjob ist. Jeder zweite Lehrling bricht vorzeitig ab. Ich hab fast inzwischen aufgegeben auszubilden", sagt Rötzer.

Dass die Arbeit in der Gastronomie ein harter, schwerer Job ist, lernen die Auszubildenden schnell, wie Kronseder und Bäumel sagen. "Wir hatten mal einen Jugendlichen, der begann die Ausbildung mit der Aussage, dass er mal TV-Koch wird. Ein paar Monate danach hat er hingeworfen." Oft sei es, dass die Auszubildenden Engpässe im Betrieb ausfüllen müssten und Arbeitstage mit zehn bis zwölf Stunden keine Seltenheit seien, auch an Wochenenden. Dazu sei dann manchmal das Betriebsklima nicht das Beste. "Obwohl der Job ein sehr schöner sein kann, ist er heute für die meisten Jugendlichen unattraktiv. Stress, schlechte Arbeitszeiten und auch noch schlecht bezahlt, wie eben oft im Dienstleistungsbereich." Da locke auch nicht die Aussicht einmal in der ganzen Welt arbeiten zu können, weil der Weg bis dahin sehr anstrengend sei. Und, was beide auch beobachtet haben: "Die Jugendlichen sind nicht mehr so belastbar wie früher."

In vielen Küchen werden heute auch sogenannte Convenience-Produkte eingesetzt, arbeitserleichternde Essenszutaten oder Fertiggerichte, sagt Rötzer. "Das macht weniger Arbeit. Ich will jetzt nicht sagen, dass das dann automatisch viel schlechter schmeckt, manche Produkte haben schon ihre Berechtigung", so Rötzer. Aber das Essen werde austauschbar. Er ist sich zudem sicher, dass sich die sogenannte Systemküche durchsetzen werde. Wenn nur noch nach strengen Vorgaben und genauen Mengen und Produkten gekocht werde. "Essen wird heute meistens nur noch als Notwendigkeit angesehen. Kein Wunder, dass Lieferservice boomen. Viele Jugendliche haben kaum Kenntnisse über Lebensmittel und kennen Suppen nur noch aus der Dose", sagen Kronseder und Bäumel.

Auch Flüchtlinge würden das Lehrlingsproblem nicht lösen, sind sich die Berufsschullehrerinnen und Rötzer einig. "Dass nur eine Minderheit ausgebildete Fachkräfte sind, hat man inzwischen auch erkannt", sagt Rötzer. Er selber habe derzeit vier Asylbewerber, demnächst bekomme er einen fünften als Helfer. Nicht nur fehlende Deutschkenntnisse würden Probleme bereiten. "Wenn jemand islamischen Glaubens ist, dann kann man ihn beispielsweise in einer bayerischen Küche nicht einsetzen. Wie soll der eine Bratensoße abschmecken?" Auch Maria Bäumel und Gabriele Kronseder hören von Flüchtlingen immer wieder, dass sie bestimmt nicht in die Küche gehen würden. Teilweise auch, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht hätten als Spüler oder Schnippelhilfe und eben nicht das schnelle Geld zu verdienen sei.

Auch Rötzers eigene Kinder würden keine Lust haben, in die Gastronomie gehen, sagt der Kreisvorsitzende. Dabei sei vom rein wirtschaftlichen Aspekt die Gastronomie in Erding interessant, boome geradezu. "Aber uns fehlt einfach der Nachwuchs, die Leute im allgemeinen. Á la Carte-Küche wie sie in vielen Gaststätten noch geboten werde, werde es nicht mehr lange geben: "Da werden viele auf der Strecke bleiben. Das ist auch nicht mehr aufzuhalten." Leichter hätten es Italiener, Griechen oder Chinesen. "Die holen sich die Kräfte aus ihrem Land. Die kommen gern nach Deutschland."

In einem sind sich alle einig: Der Spruch "Wer nichts wird, wird Wirt" sei falsch. Denn ohne das Handwerk richtig gelernt zu haben, könne man keine Gastronomie erfolgreich führen. "Und selbst, wenn man nach einigen Jahren doch den Beruf wechselt, hat man vieles für das Leben gelernt. Viele haben ja bis zur Ausbildung zum Beispiel sich noch nie eine Suppe gekocht oder ihr Bett gemacht", sagen Maria Bäumel und Gabriele Kronseder.

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