Lange Zeile:Ein Reizthema

Lange Zeile: Hier kommt alles zusammen: Lieferverkehr, Fußgänger, ein Linienbus sowie Autos auf Parkplatzsuche.

Hier kommt alles zusammen: Lieferverkehr, Fußgänger, ein Linienbus sowie Autos auf Parkplatzsuche.

(Foto: Bauersachs)

Die einen halten die Lange Zeile für eine "Parkplatzsuchstrecke", die anderen fürchten ein "Aussterben der Innenstadt", würde die Straße zu einer Fußgängerzone. Ein Stimmungsbild

Von Mathias Weber, Mitarbeit: Yvonne Ramp, Erding

Es ist nicht das erste Mal, dass in Erding über eine Fußgängerzone diskutiert wird. Schon vor fast 20 Jahren hatte die SPD gefordert, die Lange Zeile vom Verkehr zu befreien. Die Stadträtin Jutta Harrer war damals dabei: Unterschriften wurden gesammelt, um eine Bürgerabstimmung initiieren zu können. Sieben Prozent der Wahlberechtigten hatten unterschrieben, eingereicht hat man die Listen damals aber nicht; noch dreimal so viele Personen hätten persönlich unterschreiben müssen, damit das Bürgerbegehren durchgeführt worden wäre. Und das, so Harrer, sei personell nicht zu schaffen gewesen.

Heute ist es die ÖDP, die das Thema wieder aufgegriffen hat. Bei einer Straßenumfrage, so heißt es, hätte sich die ganz große Mehrheit der Passanten für eine echte und möglichst lange Fußgängerzone in der Langen Zeile ausgesprochen. Ein Stimmungsbild, das die Erdinger SZ in einem Schwerpunkt vertieft - mit Stimmen der Politik, der Polizei, der Anwohner und der Geschäftstreibenden.

Die Parteien

Einige Erdinger Parteien haben sich schon klar zu den Plänen, die Lange Zeile umzugestalten, geäußert. Die ÖDP sieht eine autofreie Zone in der Langen Zeile als Gewinn und ist sich in dieser Frage einig mit der SPD. Der ÖDP-Stadtrat Stephan Treffler war kürzlich sogar Gast bei den Sozialdemokraten. Auch deren neuer Ortsvorsitzender Karl-Heinz Gallinn sprach sich für eine Verkehrsberuhigung aus (genauso wie der restliche Vorstand) und forderte die Stadtverwaltung auf, ein neues Verkehrskonzept für den Altstadtbereich zu erarbeiten. Der stellvertretende SPD-Ortsvorsitzende Willi Scheib sagte, eine Veränderung in der Langen Zeile sei nur über eine Beteiligung der Anwohner zu erreichen. Er glaubt, dass es dort auch mit weniger Parkplätzen gehen könnte: "Die Lange Zeile ist zu schade, als dass sie als Parkplatzsuchstrecke missbraucht wird."

Eine Aussagen gibt es auch schon von der CSU - und die ist wie so oft bei Verkehrsthemen ganz anders als bei den anderen Parteien. Der Erdinger Stadtrat Hubert Sandtner sagte kürzlich beim CSU-Stammtisch, dass jetzt der falsche Zeitpunkt sei, über eine Fußgängerzone in der Langen Zeile zu entscheiden. Zu viele Fragen seien im Moment ungeklärt, zum Beispiel die Zukunft des Areals des Parkplatzes am Mühlgraben. Sandtner ist Schreiner und hat seine Werkstatt in der Innenstadt. Auch er ist betroffen, wenn es um die Klagen über Leute geht, die bis spät in die Nacht in der Innenstadt feiern und Radau machen. Würde die Lange Zeile zu einer Fußgängerzone, so würde sich dieses Problem verschärfen, sagte er. Sandtner fürchtet eine weitere Eventisierung der Innenstadt.

Die Gewerbetreibenden

Die CSU liegt damit auf einer Linie mit dem Gewerbetreibendenverband Ardeo. Dessen Vorsitzender Dieter Gerlspeck sagt, dass man "nicht erst das Schiff bauen soll, bevor das Wasser kommt." Er habe nicht das Gefühl, dass man in der Langen Zeile mehr bieten müsse, die Frequenz gäbe das gar nicht her. Er glaubt nicht, dass die Stadt attraktiver für Besucher wäre, wenn es keinen Verkehr mehr geben würde. "Das Aussterben der Innenstadt wäre die Folge davon", glaubt er. "Banken, Ärzte, alle, die auf Mobilität angewiesen sind, fürchten um einen Frequenzverlust." Auch andere Gewerbetreibende und Gastronomen an der Langen Zeile äußern sich der SZ gegenüber ähnlich. Beim Café Fantasya fürchtet man um den Straßenverkauf, aus Martins Backstube heißt es, dass viele Kunden Frühstück oder Brotzeit auf dem Weg zur Arbeit mit dem Auto holten und direkt vor der Türe parken können. "Wir merken das sogar an Regentagen, wir haben da viel weniger Geschäft, weil die Leute gar nicht aus dem Auto aussteigen wollen." Im Café Krönauer heißt es, dass die Innenstadt mit einer Fußgängerzone "regelrecht ausbluten" würde. "Es ist sowieso schon fast nichts mehr los in der Stadt, das wäre das Ende."

Der Verkehr

Manche Gastronomen sprechen aber auch den nicht unwesentlichen Verkehr in der Langen Zeile an. Im Pano findet man die Idee einer Fußgängerzone nicht schlecht, weil es dann insgesamt leiser wäre. Auch im Fantasya sagt man, "dass der Verkehr sehr laut ist". Eine Einbahnstraßenregelung bringen daher manche Gastronomen ins Spiel, sodass der Verkehr vielleicht abnehmen würde, der Zugang mit dem Auto aber noch möglich wäre. Die CSU moniert allerdings, dass die Ausweichrouten - die Krankenhausstraße und die Straße Am Mühlgraben schon jetzt überlastet seien. Heute liegt die Geschwindigkeitsbegrenzung im ganzen Altstadtbereich bei 30 Stundenkilometern, Parken ist auf den gekennzeichneten Flächen für eine Stunde erlaubt. Mehr als 35 Parkplätze stehen während der Sommersaison von den Häusern Lange Zeile 1 bis 31 zur Verfügung, im Winter sind es einige wenige mehr.

Die Erdinger Polizei kann in der Langen Zeile keinen Hotspot erkennen - Unfallschwerpunkte gäbe es vor allem bei den überörtlichen Straßen in Richtung der Landeshauptstadt und dem Flughafen. Bodo Urban, der stellvertretende Leiter der Erdinger Inspektion sagt aber, dass in der Langen Zeile sehr viel Verkehr unterwegs sei. Geschwindigkeitsmessungen aber führt die Polizei dort nicht durch - aus technischen Gründen. Die Lange Zeile sei zu kurz, um eine gesicherte Geschwindigkeitsmessung durchzuführen. Wer kurz aufdreht und dann wieder bremst, den erwischt man nicht.

Die Anwohner

Genau vor solchen Situationen fürchten sich Anwohner. Elisabeth Enderlein ist die Ortssprecherin der Grünen; intern hat die Partei noch nicht über das Thema diskutiert. Aber rein privat hat Enderlein eine Meinung, denn sie wohnt zufälligerweise an der Langen Zeile, auf Höhe des Optikers Fielmann. Ihr geht der laute Verkehr und die Rücksichtslosigkeit vieler Autofahrer auf den Geist. "Es wird gerast", sagt sie. Besonders ärgerlich: Viele der Autofahrer ignorierten die Zebrastreifen in der Langen Zeile, und gefährdeten so die Fußgänger. Für eine Fußgängerzone oder einen verkehrsberuhigten Bereich, sagt sie, würde sie sofort unterschreiben, wie auch viele ihrer Nachbarn. Gerade ältere Anwohner ärgerten sich über die vielen Autos, durch die man kaum durchkomme. Auch dem Anwohner Anton Dichtl, der mit seiner Familie in der Langen Zeile wohnt, fällt auf, dass vor seiner Tür viel wild geparkt wird. Als "relativ rücksichtslos" beschreibt er die Autofahrer, die Notwendigkeit, die Straße komplett zu sperren, sieht er aber nicht. Und von einer weiteren Fußgängerzone in Erding hält er auch nichts. Schon jetzt würden in die bestehende genug Autos unerlaubt einfahren. Wenn die Lange Zeile aber dann einmal gesperrt ist, etwa für Veranstaltungen, sagt Elisabeth Enderlein, genössen sie und ihre Nachbarn das: "Es ist viel harmonischer." Ihre private Meinung: Es müsse gar keine Fußgängerzone sein, ein moderner Shared Space würde schon reichen - wo alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind. "Aber ob das mit den Erdinger Autofahrern machbar ist?", fragt sie.

Die Stadtverwaltung

Für die Erdinger Stadtverwaltung ist eine mögliche Fußgängerzone kein Thema. "Zum jetzigen Zeitpunkt", heißt es, sei die Fußgängerzone "eine rein politische Frage, zu denen die Stadtverwaltung grundsätzlich keine Stellungnahme abgibt und auch nicht abgeben darf." Vorbereitungen oder Einschätzungen würden zwingend entsprechende Beschlüsse durch den Stadtrat voraussetzen.

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