Fußball-Analyse:Oliver Kahn bekommt bei der WM Analyse-Hilfe aus Bayern

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Per Knopf im Ohr ist Kahn mit drei Mitarbeitern der Fakultät Fußballmanagement in Ismaning verbunden, die beliefern ihn live mit Daten zum Spiel der Nationalmannschaft.

Von Regina Bluhme, Erding

Wenn Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn an diesem Sonntag das WM-Spiel Deutschland gegen Mexiko fürs ZDF kommentiert, kann er sich auf seine Erfahrung verlassen - und auf drei Mitarbeiter der in Erding gegründeten Hochschule für angewandtes Management (HAM), die heute ihren Hauptsitz in Ismaning hat. Per Knopf im Ohr wird er von den Mitarbeitern der Fakultät Fußballmanagement mit Analysen und Sportlerprofilen versorgt. Die Verbindung von Kahn zur HAM ist eng: Der "Titan" wurde bei seiner Masterarbeit von Christian Werner, dem Gründer der Hochschule, betreut. Auch die Fußball-Bundesliga setzt auf die Expertisen der Hochschule, selbst Pep Guardiola hat schon Berichte angefordert.

Während Oli Kahn das Spiel im Stadion verfolgt und dem Fernsehpublikum die WM-Welt erklärt, sitzen in einem Büro in Ismaning Markus Brunnschneider, Julian Lauer und Kathrin Neuhofer im Wechsel vor mehreren Monitoren und füttern Kahn über Telefonstandleitung vorab und auch live mit Analysen, zum Beispiel über Pässe, torgefährliche Situationen oder Ballbesitz. Das Zahlenmaterial komme von einem externen zentralen Datenlieferanten.

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"Wir übernehmen dann die qualitative Zusammenfassung", erklärt Tobias Haupt, Dekan der HAM-Fakultät für Sportmanagement. Er nennt ein Beispiel: Der einen Mannschaft werden 700 Pässe zugeordnet, dem Gegner 1500. Das müsse nicht unbedingt heißen, dass das Team mit 1500 das torgefährlichere sei. Diese vielen Pässe könnten sich ja auch als Zuspiel zum Verteidiger entpuppen, so der Professor. Die Expertisen der Hochschule sind beim Deutschen Fußballbund (DFB) gefragt. Auch Pep Guardiola habe mal einen Bericht angefordert.

Den Studiengang Fußballmanagement gibt es an der HAM erst seit dem Wintersemester 2017/2018. In Kooperation mit dem Institut für Fußball wird das Fach an drei Standorten angeboten. Neben Unna und Berlin auch in Ismaning, wo die Hochschule für angewandtes Management aktuell ihren Sitz hat. 2017 ist die Lehranstalt aus ihrem Stammsitz in Erding ausgezogen. Das denkmalgeschützte Gebäude gehört dem Landkreis und wird nun für Behördenbüros genutzt. Eine Rückkehr in die Große Kreisstadt ist aber nicht ausgeschlossen. Christian Werner hat 2004 die Hochschule gegründet und lebt noch heute im Landkreis Erding.

Gelehrt wird etwa erfolgreiches Scouting

Zur HAM hat Oliver Kahn eine enge Verbindung. Es gibt ein Foto, das zeigt einen strahlenden Kahn in dunklem Anzug und roter Krawatte. Neben ihm steht Christian Werner, der Kahns Arbeit für den Master of Business Administration betreut hat. Der Titel lautete: "Strategisches Management bei Fußballunternehmen".

Christian Werner ist heute Präsident von IUNworld, dem International University Network. Zu dem Verbund gehören neben der HAM die Hochschule für Gesundheit und Sport Berlin und die österreichische Privatuni Schloss Seeburg, an der Oliver Kahn seinen Master gemacht hat. Aktuell hat die HAM insgesamt 2601 Studierende, davon 597 an der Fakultät Sportmanagement.

Der Studiengang Fußballmanagement ist laut Tobias Haupt sehr gut nachgefragt. Der erste Studiengang weise 70 Studierende auf. "Das ist für den allerersten Aufschlag ein mehr als respektables Ergebnis", so Haupt. Gelehrt werden an der Fakultät zum Beispiel erfolgreiches Scouting, also wie man Spieler für die Zukunft findet, und richtige Kaderplanung, also welcher Spielercharakter zur Spielphilosophie passt. Zum Studium gehören natürlich auch Marketingstrategien sowie das Thema Licensing.

Eine Grenze für die Kommerzialisierung des Fußballsport sieht er derzeit nicht erreicht, sagt Haupt. Allerdings könnten sich womöglich die internationalen Sponsoren einmal eine andere Spielwiese suchen, zum Beispiel E-Sport. "Vereinfacht gesagt geht es dabei darum, anderen beim Computerspielen auf einer riesigen Leinwand zuzuschauen." In Asien füllten diese Events Arenen mit bis zu 80 000 Menschen. An der HAM wird vom kommenden Semester an der bislang deutschlandweit einmalige Studiengang E-Sport-Management angeboten.

Am Sonntag wird also Oliver Kahn mit Unterstützung der HAM-Mitarbeiter vor einem Millionenpublikum das WM-Spiel analysieren. Kürzlich handelte sich "Titan" Kahn allerdings harsche Kritik ein wegen seines Kommentars über den weinenden Torwart Loris Karius vom FC Liverpool. "Unsere Ansagen beziehen sich rein aufs Spiel", betont Tobias Haupt. "Was er darüber hinaus kommuniziert, ist seine Sache." Und die Prognose des Wissenschaftlers für das deutsche Ergebnis bei der WM? Er sei zuversichtlich, sagt der Dekan, "dass Deutschland den Weltmeistertitel verteidigt".

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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