Fundstück im Stadtarchiv Erding:Dem Winde preisgegeben

Vor 100 Jahren starb Ferdinand Graf von Zeppelin. Als er am 1. April 1909 mit seinem Luftschiff LZ 3 Erding überflog, war das eine absolute Sensation. Nachdem die Sichtungen verbreitet wurden, glaubte man erst an einen Aprilscherz, weil der Abstecher nicht geplant und eine Landung in München vorgesehen war

Von Thomas Daller, Erding

Vor 100 Jahren, im März 1917, starb Ferdinand Graf von Zeppelin. Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigte er sich mit der Konstruktion von Luftschiffen. Er war es, der den Erdinger die erste Begegnung mit der Luftschiffart ermöglichte, lange vor dem Fliegerhorst und dem Flughafen im Erdinger Moos. Sein Flug über Erding am 1. April 1909 machte damals Schlagzeilen in der Lokalpresse. Extrablätter wurden gedruckt, ein Sonderzug folgte ihm aus München und auf den Straßen liefen die Menschen zusammen.

Der 1838 in Konstanz geborene Luftschiffbauer war eigentlich ein General der Kavallerie. 1895 reichte er seine Erfindung zum Patent ein. Im Sommer 1900 startete die Jungfernfahrt des LZ 1 (LuftschiffZeppelin 1) in Friedrichshafen, wo es erbaut worden war. Die ersten Luftschiffe wurden bei Landungen oder durch Böen beschädigt und so war erst das LZ 3 das erste flugtaugliche Luftschiff, das sich weiter vom Bodensee entfernen konnte. Es war ein imposantes Fluggerät, 136 Meter lang, 11,65 Meter Durchmesser, angetrieben von zwei vierzylindrigen Daimler-Reihenmotoren zu je 100 PS schaffte es eine Spitzengeschwindigkeit von rund 45 Kilometern. Am 1. April 1909 startete das Luftschiff LZ 3 alias Z 1 zu seiner ersten "Fernfahrt nach München". An Bord waren neben Graf Zeppelin sein Oberingenieur Dürr und einige Militärs, geflogen wurde es von Luftschiffkapitän Hacker, der insbesondere mit dem Ablesen des Kompasses betraut war. Es war das erste Luftschiff über München, eine heute kaum mehr vorstellbare Sensation. Man beflaggte die Häuser, Kinder bekamen schulfrei und Postkarten wurden gedruckt. Zeppelin kam etwa um 9 Uhr in München an und führte mit seinem Luftschiff Hebungen, Senkungen und verschiedene Evolutionen durch, heißt es in den damaligen Berichten der Presse. Begleitet von endlosen Hochrufen, Tücherschwenken und Ehrensalven habe es sich mit bewundernswerter Präzision in den Wind gestellt. Das waren zwar sehenswerte Kunststückchen, aber landen konnte er nicht, weil der Wind zu stark war. Das geplante Weißwurstfrühstück mit Prinzregent Luitpold fiel aus, der Zeppelin wurde abgetrieben.

Flug des Zeppelin LZ 3

Das Luftschiff LZ3, das über Erding flog, aufgenommen bei einem weiteren Flug im Jahre 1909. Im Vergleich zu späteren eleganten Zeppelinen war dieser Prototyp noch eine ziemliche Bastelbude.

(Foto: unbekannt)

Von München aus ging es dann mit einer Geschwindigkeit von zwölf Sekundenmetern weiter in Richtung Erding, wo man völlig unvorbereitet auf das Ereignis war. Hinzu kam auch noch das Datum, das zu Späßen reizte. Das Erdinger Lokalblatt fasste die damaligen Eindrücke, als das Luftschiff in einer Höhe von 150 bis 200 Metern über Moosinning heranschwebte, folgendermaßen zusammen: ",Zeppelin ist zu sehen!' Das war die große Nachricht, die einige Aufregung hervorzubringen war. Freilich der leidige 1. April, das war überall der erste Gedanke, der zur Vorsicht mahnte. Deshalb überließ man es den Leuten, die viel freie Zeit haben, auf die Straße zu stehen und suchte sich erst auf Umwegen zu überzeugen. Und eine besonders misstrauische Seele holte sich ihre Überzeugung auf dem Kirchturm."

Als sich dann herausgestellt hatte, dass es sich nicht um einen Aprilscherz handelte, ging es in Erding richtig rund. Alt und Jung war auf den Beinen, um den "stolzen Segler" zu sehen, der in majestätischer Fahrt heranschwebte. Unterdessen durchraste eine für damalige Verhältnisse große Anzahl von Automobilen durch die Stadt. Prinz Ludwig Ferdinand traf mit einem der Fahrzeuge ein und stieg für kurze Zeit am Kleinen Platz aus. Bald darauf traf ein Extrazug aus München in Erding ein, besetzt mit einer Abteilung des Luftschifferbatallions München, da Zeppelin Nachrichten auswarf, er versuche in Erding zu landen. Bei Langenpreising hatte sich das Luftschiff dem Erdboden schon so sehr genähert, dass man nach Augenzeugenberichten "die Steuerung und sonstige Teile des Luftschiffs ganz genau zu unterscheiden vermochte". Leider gelang es nicht und der Zeppelin trieb weiter. Dieser zweite missglückte Versuch führte zu widersprüchlichsten Gerüchten, die sich in Windeseile in Erding verbreiteten: Ein Motor sei defekt, die Steuerung funktioniere nicht mehr, Zeppelin sei dem Winde preisgegeben. Dann wurde kolportiert, der Zeppelin sei in Landshut auf dem Exerzierplatz gelandet, was sich nicht bewahrheitete.

zeppelinmünze im museum erding aus dem jahr 1909

Zeppelinmedaille aus dem Jahr 1909.

(Foto: Museum Erding)

Schließlich beendete Graf Zeppelin die Fahrt in Loiching, 13 Kilometer von Dingolfing entfernt. Etliche Automobile waren dem Luftschiff gefolgt, die anschließend berichteten, es sei völlig intakt geblieben und nicht der mindeste Defekt zu verzeichnen. Der Graf und seine Begleiter seien "bei heiterer Laune" und wollten nur einen günstigen Wind abwarten, um wieder die Retourfahrt nach München anzutreten. Dort landete das Luftschiff dann auch einen Tag später auf dem Oberwiesenfeld, dem heutigen Olympiagelände, ohne irgendwelche Beschädigungen aufzuweisen. Der Rückflug führte wieder über den Landkreis Erding und löste weitere Begeisterungsstürme aus. Auch das Weißwurstfrühstück mit dem Prinzregenten wurde nachgeholt. Unter dem bleibenden Eindruck dieser Zeppelinfahrt entstand in Oberschleißheim im Mai 1913 der erste Fliegerhorst Bayerns. Im März 1913 wurde das Luftschiff Zeppelin 3 abgewrackt, nachdem es bei mehreren Flügen als Heeresluftschiff genutzt worden war.

In Erding blieb der Zeppelinflug noch viele Jahre in Erinnerung, weil Spaßvögel immer wieder Zeitgenossen mit der Ankündigung hereinlegten, "der Zeppelin kommt". Sogar ein Gedicht wurde diesem Phänomen gewidmet, das im Lokalblatt abgedruckt wurde. Weil jedoch fast alle Fotografien von diesem Flug über Erding verschollen oder von schlechter Qualität sind, geriet das Ereignis in Vergessenheit. Erst durch Recherchen zum 100. Todestag von Graf Zeppelin kamen die alten Berichte ans Tageslicht. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, falls die Landung in Erding damals geglückt wäre.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: