Freising:Vogelkartierung für Gutachten

Rotkehlchen beim Frühlingsgezwitscher

Aich Rotkehlchen werden bei der Zählung erfasst.

(Foto: Hanns-Peter Lochmann/dpa)

Erich Schraml erfasst Artenvielfalt für Hochwasserschutzmaßnahmen

Von Katharina Aurich, Freising

Morgens um halb sieben herrscht am Grünzug Thalhauser Graben in Freising bereits geschäftiges Treiben. Während die Menschen erst langsam in die Gänge kommen, bauen unzählige Vögel bereits fleißig ihr Nest, balzen, pflanzen sich fort und markieren ihr Revier. Erich Schraml, der entlang des kleinen Bachs die Vogelwelt für ein Gutachten kartiert, hört und sieht in den Bäumen und oben am Himmel eine Fülle unterschiedlicher Arten. Da die Stadt am Thalhauser Graben Regenrückhaltemaßnahmen plant, muss zuvor in einem Gutachten erfasst werden, welche Vogelarten und wie viele Exemplare davon hier leben. Denn seit 1979 sind alle Vögel besonders geschützt, ihr Lebensraum darf sich nicht verschlechtern, erläutert Schraml, der immer wieder sein Fernglas ansetzt und sich auf einer Karte Notizen macht. Der Artenschutz für Vögel gelte flächendeckend, die Bestände dürften nicht abnehmen, schildert er, während er gleichzeitig auf ein Kohlmeisenpärchen aufmerksam macht.

Schraml zieht es vor, die Vögel, die er identifiziert, handschriftlich auf einer Karte zu markieren. Es gäbe auch den "Mobile-Mapper", ein GPS-gestütztes Gerät, in dem man die Vorkommen markieren könne. Am Ende der Kartierungszeit, Schraml wird das Gebiet insgesamt vier Mal untersuchen, werden alle Daten in eine digitale Karte eingetragen, um möglichst genaue Angaben darüber zu erhalten, welche Arten in welcher Zahl wo lebten. Am Thalhauser Graben ist der Landespfleger, der sich zum Vogelspezialisten weiter bildete und seit mehr als 20 Jahren freiberuflich arbeitet, im Auftrag des Büros Narr, Rist und Türk aus Marzling unterwegs, das den Auftrag für das Gutachten von der Stadt erhalten hat.

Während ein Kleiber mit Nistmaterial im Schnabel vorbei fliegt, erzählt Schraml, dass es in Bayern 200 verschiedene Brutvogelarten gäbe. Vor 20 Jahren wurden vor Bauvorhaben kaum die Tierarten, die auf den betroffenen Flächen leben, erfasst, sondern man konzentrierte sich auf die Pflanzen, erinnert er sich. Das habe sich grundlegend geändert und je umstrittener ein Projekt sei, desto umfassendere Bestandsaufnahmen der Tierwelt seien nötig. Manche Gutachten müssten auch Überprüfungen durch Gerichtsverfahren Stand halten. Wer zum Beispiel den Bau eines Windrads neben seinem Grundstück verhindern möchte, für den wird etwa der Uhu plötzlich ein willkommener Nachbar, denn er sei streng geschützt und könne unter Umständen die Errichtung eines Windrads erschweren oder gar verhindern, sagt Schraml. Bevor er sich an die Bestandsaufnahme für ein Gutachten mache, spreche er sich in kritischen Fällen mit den Mitarbeitern der Unteren Naturschutzbehörde ab und gemeinsam werde fest gelegt, welche Arten oder Artengruppen selten oder von dem geplanten Bauvorhaben besonders betroffen wären. Am Thalhauser Graben würden jedoch alle Vogelarten gleichberechtigt erfasst. Dazu gehörten auch die Bunt- oder Grünspechte, die in den uralten, mächtigen Weiden entlang des Bachs nisteten, wie die runden Löcher im Stamm belegen. In der alten Baumrinde befänden sich auch Spalten als Unterschlupf für Fledermäuse, sagt Landschaftsplaner Marian Müller, der wie Schraml für das Gutachten, allerdings in Sachen Fledermäuse, unterwegs ist.

Auf dem Nachbarbaum versucht gerade ein Mönchsgrasmückenmännchen sein Revier zu verteidigen, während Schraml auf den Gesang des Zilpzalps aufmerksam macht. Daneben, in den Büschen am Graben, fliegen Rotkehlchen, dann stimmen in das morgendliche Vogelkonzert noch die Buchfinken ein. Auch Stare, Stieglitze und Girlitze seien entlang dem Graben heimisch. Die Stare stünden inzwischen auf der Roten Liste Deutschlands der gefährdeten Arten, da es für die Vögel zunehmend schwieriger werde, einen Brutplatz zu finden und die Bestände daher abnähmen, sagt der Vogelexperte. Denn es gebe immer weniger alte Bäume, sie würden wegen der Verkehrssicherungspflicht abgeholzt und auch im Wald würden die wenigstens Bäume alt, sondern aus wirtschaftlichen Gründen früh gefällt, sagt Schraml. Da hätten die Höhlenbrüter, die in alten Bäumen ihre Jungen groß ziehen, kaum noch eine Chance. Auch für Siedlungsbewohner wie den Haussperling würden die Lebensbedingungen schwieriger, denn er fände in den sanierten und wärmegedämmten Häuserfassaden immer seltener Löcher oder Spalten für sein Nest, bedauert der Vogelexperte.

Bei den Planungen müsse die Stadt Freising in Zukunft Stellen, wo viele Vögel brüten, nach Möglichkeit ausklammern und Ausgleichsmaßnahmen schaffen, betont Schraml.

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