Freising:Generationswechsel in Freising

Freising: Neue Zeiten für das PLUS-Festival: Jörg Jakobs (rechts) und Reinhard Fiedler hören auf.

Neue Zeiten für das PLUS-Festival: Jörg Jakobs (rechts) und Reinhard Fiedler hören auf.

(Foto: Marco Einfeldt)

Jörg Jakobs und Reinhard Fiedler gründeten vor 22 Jahren das Prima Leben und Stereo-Festival mit - jetzt ziehen sie sich zurück

Interview von Christoph Dorner, Freising

Vor 22 Jahren hatte eine Gruppe Abiturienten um Jörg Jakobs und Reinhard Fiedler die Idee, am Vöttinger Weiher ein kleines Open-Air-Festival zu veranstalten. Über die Jahre ist das Prima Leben und Stereo (PLUS) zu einer echten Marke geworden. Am kommenden Wochenende findet das Festival, für das es an der Abendkasse noch ausreichend Karten gibt, wegen des Baus der Westtangente vermutlich zum letzten Mal an seinem angestammten Ort statt. Mit der SZ sprachen Jakobs und Fiedler über Vergangenheit und die mögliche Zukunft des Festivals.

Schließt sich mit dem Headliner, der Hip-Hop-Band Blumentopf, ein Kreis? Die Band hat sich 1992 in Freising gegründet.

Fiedler: Das war der Hintergedanke. Dass eine Freisinger Band, die hier groß geworden ist und uns die ganzen Jahre mit mehreren Auftritten begleitet hat, zum Abschluss noch einmal zu uns kommt.

Kommen Blumentopf aus alter Verbundenheit?

Fiedler: Das ist bei vielen Bands der Fall, die bei uns spielen. Unter normalen Umständen könnten wir uns die Gagen vieler Bands nicht leisten. Aber wir stehen auf der Wunschliste vieler Musiker weit oben. Wir sind keine Firma, die ein Festival nach kommerziellen Gesichtspunkten zusammenstellt. Es ist unser persönlicher Wunsch, dass die Bands nach Freising kommen. Und das merken die Musiker auch.

Die Gagen haben angezogen. Ist es schwieriger geworden, Bands zu bekommen? Oder hilft da die Verbundenheit?

Jakobs: Dummerweise verdient man mit der Verbundenheit kein Geld. Und wir brauchen trotz der Helfer relativ viel Geld, um das Festival organisieren zu können.

Fiedler: Uns machen die hohen Gagen zu schaffen. Sie sind in den letzten Jahren extrem gestiegen. Außerdem machen die großen Festivals Verträge, dass die Bands im Sommer nur bei ihnen spielen dürfen. Das ist natürlich eine Frechheit, weil wir einem großen Festival bestimmt nicht weh tun. Die Bands sagen dann: Wir würden gerne zu euch kommen, aber wir dürfen nicht. Junge Leute übernehmen sich ja schnell bei der Organisation eines Festivals. Warum hat es beim PLUS immer geklappt?

Jakobs: Wir sind mit dem Festival gewachsen. Wir haben in der Organisation immer versucht, möglichst viel selbst zu machen. Das hat uns über die ersten Jahre gerettet.

Unsere größte Anschaffung war damals ein Gartenschlauch für 60 Mark.

Fiedler: Und ein Pavillon, damit nicht alles nass wird. Seitdem haben wir die Planung jedes Jahr verbessert. Fällt es Ihnen schwer, das Festival in seiner bewährten Form aufzugeben?

Fiedler: Zwei Dinge kommen zusammen. Man muss ein anderes Gelände suchen, weil die Wiese durch die Baustelle wegen der Westtangente zu sehr an Gemütlichkeit einbüßt. Außerdem wird es im Verein einen Generationswechsel geben. Die neuen Verantwortlichen müssen also einen neuen Platz für das Festival suchen, können das Festival aber auch neu gestalten.

Fast alle wichtigen deutschen Indie-Bands der letzten Jahre haben beim PLUS gespielt. Kann das so weitergehen?

Fiedler: Wir merken schon, dass es bei der Hälfte unser Wunschbands utopisch ist, sie zu bekommen. Wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, bin ich immer erstaunt, wer schon alles bei uns gewesen ist. Einige haben wir erwischt, kurz bevor sie richtig groß geworden sind.

Freising hat ein Platzproblem. Merken Sie das auch bei der Standortsuche?

Fiedler: Es werden schon Flächen untersucht, die machbar wären. Man muss aber auch bedenken, dass es mit einer Fläche allein für das Festival nicht getan ist. Das Campinggelände ist 15 Mal so groß. Am Vöttinger Weiher sind die Strukturen schon da. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte haben gelernt, mit den Gegebenheiten dort zu leben.

Bis auf die Jahre, in denen das Festival im Schlamm versunken ist, hat ja immer alles ganz gut geklappt.

Fiedler: Wir hatten nie Schlägereien oder schlimmer Unfälle, weil bei uns eine wahnsinnig friedliche Atmosphäre herrscht. Die Leute kommen wegen der Bands - und zwar zum Teil von sehr weit her. Auf Ärger hat hier einfach niemand Lust.

Jakobs: Bei uns wurde ein Mal ein Klo umgeworfen. Alles andere waren Lausbubenstreiche. Uns wurde einmal nachts ein Banner geklaut, das hing über der Bühne, auf der wir Helfer geschlafen haben

Fiedler: Das Ding hängt bestimmt bis heute in irgendeinem Jugendzimmer.

Für große Bands war es bestimmt seltsam, am Vöttinger Weiher anzukommen.

Fiedler: Es gab Bands, die ihre Anschlussflüge verschoben haben, weil sie am zweiten Tag noch bei uns bleiben wollten. Die Band Tocotronic, mit deren Musik wir aufgewachsen sind, haben uns nach ihrem Konzert vor zwei Jahren geschrieben, dass es die Nacht ihres Lebens war.

Gehört das Festival nach Freising oder könnte es auch umziehen?

Fiedler: Nein. Das Festival ist hier gewachsen. In diesem Jahr haben wir 350 Helfer. Sie setzen sich aufs Fahrrad und fahren raus an den Weiher. Der Name ist schon an den Ort gebunden.

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