Prozess:Neugeborenes in Flughafen-Klo zurückgelassen - Mutter vor Gericht

Neugeborenes auf Toilette am Münchner Flughafen gefunden

In dieser Toilette am Flughafen war das Neugeborene im Juni 2015 gefunden worden.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Die Frau soll im vergangenen Jahr ihr Neugeborenes in einer Toilette am Münchner Flughafen zurückgelassen haben.
  • Eine Woche nach der Tat wurde die 23-Jährige festgenommen. Eine DNA-Analyse brachte den medizinischen Beweis, dass sie die Mutter des Babys ist.
  • Das Kind konnte reanimiert werden und überlebte.

Von Peter Becker, Flughafen/Landshut

Die Frau, die am 30. Juli des vergangenen Jahres eine Parkhaus-Toilette am Münchner Flughafen betrat, dürfte ihren Augen nicht getraut haben: Im kalten Wasser der Kloschüssel befand sich ein offenbar gerade erst zur Welt gekommenes Neugeborenes. Von der Mutter war weit und breit nichts zu sehen.

Es sollte eine Woche lang dauern, bis die Kriminalpolizei eine 23-jährige Frau aus Heidenheim in Baden-Württemberg aufgrund einer Zeugenaussage aufgespürt hatte. Eine DNA-Analyse ergab, dass sie tatsächlich die Mutter des Findelkindes ist, welches das Klinikpersonal am Flughafen auf den Namen Franziska taufte. Der 23-Jährigen wird vom kommenden Dienstag, 3. Mai, an am Landshuter Landgericht wegen versuchten Totschlags der Prozess gemacht.

An fünf Verhandlungstagen versucht die 1. Strafkammer als Schwurgericht unter dem Vorsitzenden Richter Markus Kring die Hintergründe der Tat sowie das Schuldmaß der Angeklagten zu ergründen. Wird sie tatsächlich wegen versuchten Totschlags verurteilt, erwartet die Deutsch-Türkin eine Haftstrafe zwischen fünf und zehn Jahre.

Mysteriös ist an dem Vorfall vieles. Abgesehen davon, dass die 23-Jährige leugnete, die Mutter des Kindes zu sein und sich offenbar in den Vernehmungen in Untersuchungshaft nicht mehr dazu äußerte, gibt auch das Verhalten der Eltern, insbesondere der Mutter, Rätsel auf.

Das Paar will nichts von der Schwangerschaft ihrer Tochter gewusst haben. Die Mutter stand vor dem Zugang zur Toilette, als die 23-Jährige dort ihr Kind bekam. Anschließend fuhr diese mit ihren Eltern zu deren Wohnung nach Heidenheim zurück. So, als sei überhaupt nichts geschehen.

Katzenbesitzer gibt entscheidende Hinweise

Die Frau, die das Baby gefunden hatte, holte sofort Hilfe. Das Neugeborene hat sein Leben wohl nur dem Umstand zu verdanken, dass sich ein Notarzt und ein Sanitäter in der Nähe befanden, die das Mädchen sofort reanimierten. Ein Hubschrauber brachte es in die Haunersche Klinik nach München.

Die Polizei ließ die Umgebung des Fundorts sofort absperren. Ein Großaufgebot suchte in den Terminals nach der Mutter. Vergebens. Insbesondere suchten sie nach einer rothaarigen Frau, die sich zum fraglichen Zeitpunkt im Waschraum der Toilette und im Bereich der Kabinen aufgehalten hatte. Die vermeintliche Zeugin entpuppte sich später als Mutter der Gesuchten.

Den entscheidenden Hinweis gab schließlich ein Katzenbesitzer. Die 23-Jährige, die sich ein halbes Jahr lang als Au-Pair-Mädchen in Dubai aufgehalten hatte, war für ihn als sogenannte Katzenpatin aktiv gewesen. Im Auftrag des Mannes aus München hatte sich die Heidenheimerin auf dem Flug von dem Arabischen Emirat nach München um die das Tier, das einer seltenen Rasse angehört, gekümmert.

Der Mann erinnerte sich deutlich daran, dass die junge Frau schwanger gewesen sei. Auf ihn habe sie bei der Übergabe der Katze überdies einen sehr angespannten Eindruck gemacht. Offenbar hatten bereits die Geburtswehen bei der Frau eingesetzt. Auf die besorgte Frage, ob es ihr nicht gut gehe, erklärte sie dem Münchner, es sei unterwegs zu Flugturbulenzen gekommen.

Über den Vater ist noch nichts bekannt geworden

Eine Woche, nachdem das Baby in der Parkhaus-Toilette am Flughafen gefunden worden war, nahm die Polizei die junge Frau in Heidenheim fest. Sie leugnete die Geburt des Kindes. Eine DNA-Analyse brachte aber den eindeutigen medizinischen Beweis, dass sie tatsächlich die Mutter des Babys ist. Über den Vater des Mädchens ist indessen noch nichts bekannt geworden.

Ärzte kämpften tagelang um das Leben des Kindes, das starke Unterkühlungen erlitten hatte. Dieses hat das rücksichtslose Verhalten seiner Mutter aber offenbar unbeschadet überstanden. Es war zunächst von den Ärzten in ein künstliches Koma versetzt worden. Das Mädchen lebt heute in einer Pflegefamilie.

Prozessauftakt ist am Dienstag, 3. Mai. Voraussichtlich will der Vorsitzende Richter Markus Kring dann am Mittwoch, 1. Juni, das Urteil verkünden.

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