Flughafen München:"Das ist eine Genugtuung"

Die Freude bei den Startbahngegnern über die Kehrtwende von Markus Söder ist groß. Sie kündigen aber an, wachsam zu bleiben, denn die Ausbaupläne am Flughafen sind vorerst nur aufgeschoben

Von Birgit Goormann-Prugger und Petra Schnirch, Freising

Flughafen München: Die Startbahngegner wollen wachsam bleiben und weiter darauf hinweisen, dass die Flughafenerweiterung nicht notwendig ist.

Die Startbahngegner wollen wachsam bleiben und weiter darauf hinweisen, dass die Flughafenerweiterung nicht notwendig ist.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Erleichterung im Flughafenumland ist groß, dass der designierte Ministerpräsident Markus Söder, als Finanzminister bisher auch Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen München GmbH, das Thema dritte Startbahn mit weniger Nachdruck angeht, als in Kreisen der Ausbaugegner befürchtet. Denn dass er die dritte Bahn für notwendig hält, hatte er zuvor oft genug betont. Die Freisinger SZ hat einige Stimmen gesammelt.

Flughafen München: Sein Haus wäre nur gut 400 Meter von der dritten Startbahn entfernt. Franz Spitzenberger ist Vorsitzender der Bürgerinitiative in Attaching. Er war einer der Kläger im Prozess.

Sein Haus wäre nur gut 400 Meter von der dritten Startbahn entfernt. Franz Spitzenberger ist Vorsitzender der Bürgerinitiative in Attaching. Er war einer der Kläger im Prozess.

(Foto: Marco Einfeldt)

Franz Spitzenberger, Vorsitzender der Bürgerinitiative Attaching: Das ist eine Genugtuung, wir freuen uns riesig. Das ist der Anfang vom Ende der Startbahn. Markus Söder hat eingesehen, dass sie politisch nicht mehr durchzusetzen ist. Die jetzige Kehrtwende ist ein Ausstieg auf Raten, um das Gesicht zu wahren. Nach der Landtagswahl wird die CSU voraussichtlich einen Koalitionspartner brauchen - aber keiner außer der FDP ist für die dritte Startbahn. Verlierer und Gewinner gibt es keine: Der Flughafen wird sich weiter entwickeln und die Belastung für die Anwohner bleibt. Eine dritte Bahn aber wäre verheerend. Die Entscheidung hat mich überrascht, gleichwohl hat man aus Zwischentönen heraushören können, dass Söder etwas in petto hat - etwa wenn er sagte, dass er für alle da sein und die Heimat bewahren wolle. Dies ist das endgültige Aus für die Startbahn. In den kommenden Jahren eröffnen die Flughäfen in Berlin und Istanbul, es gibt die schnelle Bahnverbindung nach Berlin, das Fernbusnetz wird ausgebaut. Selbst wenn der Flughafen München ein, zwei Prozent im Jahr wächst, reichen die beiden bestehenden Bahnen aus.

Flughafen München: Manfred Pointner ist Vorsitzender der Schutzgemeinschaft, die Kläger gegen die Startbahn unterstützt hat. Geboren wurde er in Franzheim, das für den Flughafenbau weichen musste.

Manfred Pointner ist Vorsitzender der Schutzgemeinschaft, die Kläger gegen die Startbahn unterstützt hat. Geboren wurde er in Franzheim, das für den Flughafenbau weichen musste.

(Foto: Marco Einfeldt)

Manfred Pointner, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft: Es ist eine gute Sache, dass die Gegner Zeit gewonnen haben. Die Leute, die vom Bau der Startbahn direkt betroffen wären, hängen aber weiterhin in der Luft. Ich freue mich, aber ein Grund zum Jubeln ist das noch nicht. Dazu müsste die Staatsregierung auch den nächsten Schritt gehen und das Projekt endgültig streichen. Söder wollte das ungeliebte Thema vor der Wahl abräumen. Die von ihm genannte Jahreszahl 2025 für die Fertigstellung einer dritten Bahn ist auch vom Flughafen schon als Zeithorizont ins Spiel gebracht worden. Wenn die Flughafen GmbH tatsächlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll, braucht das auch Zeit. Denn Söder weiß: Mit der Stadt München als FMG-Gesellschafter ist der Bau nicht möglich. Keinesfalls dürfen die Startbahngegner jetzt die Hände in den Schoß legen. Aber schauen wir mal, vielleicht haben wir uns ja auch getäuscht in Söder.

Flughafen München: Der Freisinger Landrat Josef Hauner, CSU, war in der vergangenen Woche bei der Gesprächsrunde bei Markus Söder dabei und hat die Atmosphäre dort als sehr sachlich empfunden.

Der Freisinger Landrat Josef Hauner, CSU, war in der vergangenen Woche bei der Gesprächsrunde bei Markus Söder dabei und hat die Atmosphäre dort als sehr sachlich empfunden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Landrat Josef Hauner (CSU): Ich bin jetzt nicht euphorisch und möchte bei der Bevölkerung nicht den Eindruck erwecken, dass beschlossen wurde, die Startbahn gar nicht zu bauen. So ist das nicht. Aber je weiter sich der Baubeginn nach hinten verschiebt, umso besser ist es für uns. Vielleicht gestalten sich die Bedingungen ja so, dass der Ausbau gar nicht umgesetzt wird. Jetzt bin in erst einmal froh darüber, dass man ein Zukunftsmodell für den Flughafen entwickeln will ohne den Bau der dritten Startbahn. Die Befürworter der Bahn sagen ja immer, ohne den Ausbau wird er abgehängt. Fachleute sollen sich jetzt damit beschäftigen, wie man den Flughafen auch so zukunftsfähig machen kann. Ich habe bei dem Gespräch mit Markus Söder, das in der vergangenen Woche stattgefunden hat, noch einmal sehr deutlich gemacht, warum wir gegen den Ausbau sind. Da ist zum Beispiel der Mangel an Arbeitskräften, die müssten alle von außen kommen. Die Werbung der IHK für die dritte Bahn mit dem Argument, dass es viele neue Stellen gibt, ist ja für uns fast eine Drohung. Wir haben auch keinen bezahlbaren Wohnraum. Ich habe zudem auf die Verkehrsprobleme hingewiesen, die jetzt schon bestehen, und die Versiegelung großer Flächen. Das Thema Ultrafeinstaub habe ich ebenfalls angesprochen, auch wenn ich das nicht allein dem Flugverkehr zuschreiben möchte. Es war eine offene und sachliche Aussprache. Aber noch einmal: Die Sache ist noch nicht endgültig erledigt.

Flughafen München: Der Freisinger CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann ist froh, dass jetzt die Themen Bedarf und Betroffenheit der Anwohner bei der Startbahndebatte mehr im Fokus stehen.

Der Freisinger CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann ist froh, dass jetzt die Themen Bedarf und Betroffenheit der Anwohner bei der Startbahndebatte mehr im Fokus stehen.

(Foto: Marco Einfeldt)

CSU-Landtagsabgeordneter Florian Herrmann (er war bei dem Gespräch mit Markus Söder dabei): Ich bin mit Söder im ständigen Austausch, meine Haltung ist ihm seit langem bekannt. Ich finde es gut, dass es jetzt nicht mehr darum geht, zu bauen um des Bauens willen, sondern dass der tatsächliche Bedarf und die Betroffenheit der Anwohner mehr im Fokus stehen. Das ist schon mal ein Zwischenschritt und so kommt in die Sache ein ganz anderer Zungenschlag. Die dritte Botschaft ist, dass Söder ganz deutlich gesagt hat, dass er nicht mit Tricks arbeiten will, um den Startbahnbau zu erreichen, beispielsweise über die Umwandlung der FMG in eine AG. Zur Frage, ob das nicht der anstehenden Landtagswahl geschuldet ist: Klar ist doch, ich kann mich auf den Kopf stellen - an der Landeshauptstadt München, die an dem Bürgerentscheid festhalten will, solange sich die Bedingungen nicht signifikant ändern, kommt man nicht vorbei, da müsste man die Stadt aushebeln. Die würde dann womöglich klagen und es gäbe ein Verfahren. Insofern ist Söders Richtungswechsel eher eine realistische Haltung.

Flughafen München: Peter Warlimont, SPD-Kreisvorsitzender, kritisiert die Kehrtwende des CSU-Politikers Söder als „durchsichtige Verzögerungstaktik“ vor den Landtagswahlen im Herbst.

Peter Warlimont, SPD-Kreisvorsitzender, kritisiert die Kehrtwende des CSU-Politikers Söder als „durchsichtige Verzögerungstaktik“ vor den Landtagswahlen im Herbst.

(Foto: Marco Einfeldt)

SPD und Jusos im Landkreis: Wie sehr wünscht man sich in der Flughafenregion, dass endlich die permanente Bedrohung durch die Ausbaupläne verschwinden würde. Doch nur auf den ersten Blick klingen die Meldungen zur neuesten Wendung des designierten Ministerpräsidenten Markus Söder in Sachen dritte Startbahn erleichternd: Vor 2021 sollen die Bagger nicht rollen. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine Abkehr von den Startbahnplänen, sondern nur um eine durchsichtige Verzögerungstaktik vor den Wahlen. Dabei ist es höchste Zeit für eine Neuausrichtung der Verkehrspolitik. Der Flugverkehr geht einher mit enormem Spritverbrauch, er torpediert alle Bemühungen um mehr Klimaschutz, er belastet Menschen schleichend in gesundheitsschädlicher Weise mit Lärm und Abgasen. Die Eröffnung der ICE-Strecke München-Berlin zeigt, wohin die Reise im wahrsten Sinne des Wortes hingehen muss: Die Politik muss sich zum Ziel setzen, den innerdeutschen Flugverkehr deutlich zu reduzieren und den Zugverkehr auszubauen, jede Investition in einen Ausbau des Flugverkehrs ist vergeudet. Geradezu verwerflich ist, dass die CSU immer noch nach Hintertüren sucht, um die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Entscheidung über die dritte Startbahn auszuhebeln. Wer die auf demokratische Weise durchsetzen will, soll sich der Mühe unterziehen, in München einen weiteren Bürgerentscheid auf den Weg zu bringen. Alles andere sind unwürdige Tricks.

Hartmut Binner, Aktionsbündnis Aufgemuckt: Erst einmal habe ich Halleluja gerufen. Für die Startbahngegner ist das ein guter Tag. Der Weg ist aber noch lang. Markus Söder will die Startbahn ja nach wie vor. Erst geht er Stimmen fangen, dann will er zuschlagen, die Leute werden eingeseift. Doch die Zeit arbeitet für uns. Der Klimawandel beschäftigt die Menschen, sie sind mehr drauf bedacht, die Erde zu bewahren, wie sie ist. Jedes Jahr Aufschub tut uns gut und bringt uns weiter weg von der dritten Startbahn, deshalb begrüße ich die Entwicklung. Der saure Apfel ist, dass Tausende Betroffene noch immer keine Gewissheit haben, sie tun mir leid. Der Widerstand aber ist nach wie vor ungebrochen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: