Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis:Freistaat kassiert "Fehlbeleger" ab

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Wer als anerkannter Flüchtling weiterhin in einer Flüchtlingsunterkunft, hier eine Unterkunft in Oberding, wohnt, gilt als "Fehlbeleger", er darf aber zumeist bleiben. Aber zu welchem Preis? (Foto: Renate Schmidt)

Anerkannte Flüchtlinge, die eine Arbeitsstelle haben, müssen Gebühren zahlen: Asylhelfer sprechen von Wuchermieten

Von Thomas Daller, Landkreis

Wer als anerkannter Flüchtling weiterhin in einer Flüchtlingsunterkunft wohnt, weil er keine Wohnung auf dem freien Markt findet, gilt zwar als "Fehlbeleger", kann aber zumeist bleiben. Für diese Unterkunft werden jedoch Gebühren fällig. Falls die Betroffenen bisher nicht gearbeitet haben, übernimmt das Jobcenter diese Kosten. Wer jedoch schon einen Job gefunden hat, wird zur Kasse gebeten. Und das geht richtig ins Geld. So wird beispielsweise für eine Familie mit zwei Erwachsenen und drei Kindern, die gemeinsam ein Zimmer bewohnen und eine Gemeinschaftsküche und die Gemeinschafts-Sanitäranlagen nutzen, eine monatliche Gebühr von mehr als 700 Euro erhoben. Die ehrenamtlichen Asylhelfer im Landkreis Erding bezeichnen das als Mietzinswucher, wenn man es mit ortsüblichen Mieten vergleicht. Außerdem befürchten sie, dass man die Flüchtlinge damit in eine Schuldenfalle treibt, weil diese Unterkunftsgebühren sogar rückwirkend bis Januar 2015 verlangt werden können. Dabei kommen schnell mehrere Tausend Euro zusammen.

Rechnungen über mehr als 2000 Euro sind bereits eingegangen

Bei einem Pressegespräch der Arbeitsgruppe Kommunalpass wiesen Maria Brand, Dagmar Wendel, Heidemarie Eibl und Gertrud Eichinger darauf hin, dass seit kurzem bei anerkannten Flüchtlingen bereits Rechnungen von mehr als 2000 Euro eingegangen seien, datiert ab 1. Januar 2017. Für diese Unterkunftsgebühr sei jedoch nicht das Landratsamt zuständig, sondern die Zentrale Gebührenabrechnungsstelle für Asylbewerber und Aussiedler in Unterfranken (zGASt). Sie fordert seit 1. Januar 2015 bayernweit Gebühren ein, die anerkannte Bleibeberechtigte zahlen müssen, wenn sie nach Abschluss eines Asylverfahrens weiterhin in den staatlichen Unterkünften bleiben wollen. Seit einer Gesetzesänderung zum 1. September 2016 ist die zGASt auch für die Abrechnung aller Anerkannten in dezentralen Einrichtungen, die von den Landratsämtern in ganz Bayern betrieben werden, zuständig.

Nach Angaben der Arbeitsgruppe Kommunalpass betrug die Unterkunftsgebühr bis zum Herbst 2016 "nur" 194 Euro für Singles oder den Haushaltsvorstand. Zum 1. Januar 2017 wurde die zugrunde liegende "Durchführungsordnung Asyl des Freistaats Bayern" dahingehend geändert, dass nun die Gebühr auf 311 Euro für Singles beziehungsweise den Haushaltsvorstand erhöht wurde sowie 97 Euro für Kinder und weitere Haushaltsangehörige. Bei einer fünfköpfigen Familie ergibt das mehr als 700 Euro im Monat für einen gemeinsam genutzten Raum, der oftmals nicht größer als 20 Quadratmeter ist. "Ich habe den Flüchtlingen, die gearbeitet haben, gesagt, sie sollen Geld zurücklegen für die Bescheide, die noch kommen werden", sagte Maria Brand. Aber oftmals sei der Verdienst zu gering, um solche Summen ansparen zu können. Brand wollte bei dem Pressegespräch jedoch auch nicht ausschließen, dass es nun möglicherweise auch erst zu einer Klagewelle kommen könne, weil die Unterkunftsgebühren in keinem Verhältnis zum genutzten Wohnraum stünden.

"Das zahlt man mit Pool und Portier"

Gertrud Eichinger erläuterte, bei einem Runden Tisch im Landratsamt im Dezember vergangenen Jahres sei den Helfern mitgeteilt worden, dass "ab sofort" das zGASt die Gebührenabrechnung übernehme. Das erkläre, warum die Bescheide auf den 1. Januar 2017 rückdatiert seien. Erfasst würden die Einkommensnachweise vom Asylmanagement des Landkreises, weil dort auch die Leistungen verrechnet würden. Eichinger, die auch stellvertretende Landrätin ist, bezeichnete die hohen Gebühren als "Katastrophe" für die Moral: "Jeder Deutsche würde sich sagen, warum soll ich dann noch arbeiten." Außerdem müsse man nur einmal überschlägig kalkulieren, wie hoch diese Gebühren umgerechnet auf den Quadratmeterpreis einer Miete seien: Das zahle man "mit Pool und Portier", aber nicht für eine Unterkunft in einem Container.

Für die Staatskasse rechnen sich diese überteuerten Gebühren: Die zGASt hat im Jahr 2016 mehr als 56 000 Bescheide mit einem Gebührenvolumen von rund 15 Millionen Euro verschickt und Einnahmen in Höhe von etwa 13 Millionen erzielt. Im Januar und Februar 2017 waren es bereits mehr als 22 000 Bescheide und Einnahmen von 5,66 Millionen Euro.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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