Flüchtlinge in Erding:Schriftlicher Dialog

Flüchtlinge in Erding: Landrat Martin Bayerstorfer

Landrat Martin Bayerstorfer

(Foto: Renate Schmidt)

Landrat Bayerstorfer bittet die Helferkreise um "Verständnis" für die Flüchtlings-Chipkarte Kommunal Pass. Die Ehrenamtlichen klagen in einem offenen Brief, dass ihr "Vertrauen nachhaltig zerstört" worden sei

Von Florian Tempel, Erding

Wenn man so möchte, sind Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) und die Helferkreise im Landkreis in einen Dialog über die Flüchtlings-Chipkarte "Kommunal Pass" eingetreten. Allerdings ist es kein Dialog im engeren Sinn eines Gesprächs. Beide Seiten kommunizieren bislang nur schriftlich miteinander. Und von einer Annäherung ist wenig zu spüren.

Vor zwei Wochen brachte einen Delegation aus verschiedenen Helferkreisen einen ersten gemeinsamen Brief an Landrat Martin Bayerstorfer ins Landratsamt. 600 Unterzeichner beklagten in dem Schreiben ihre tiefe Verärgerung über die bis dato vollständig bargeldlose Chipkarte. Zudem hieß es in dem Brief, es mache "fassungslos", dass der Landrat vor der Einführung der Geldkarte "keinen Dialog mit uns gesucht" habe. Der Landrat nahm diesen ersten Brief nicht persönlich entgegen. Wenige Tage später hat er sich mit einem Schreiben an die Ehrenamtlichen gewandt. Worauf die Helferkreise wiederum mit einem offenen Brief antworteten.

Byerstorfer bedauert in seinem Schreiben an "das Team der Helferkreise im Landkreis Erding" zunächst, dass er "leider nicht persönlich mit Ihnen sprechen konnte". Dann räumt er ein, dass es am Kommunal Pass "noch das ein oder andere zu optimieren" gelte. Im Weiteren beschreibt er, wie aufwendig die früheren Barauszahlungen waren und dass man "sehr kurzfristig" reagieren musste. Es folgt eine stichwortartige Aufzählung von "Beweggründen, warum die Entscheidung auf den Kommunal Pass gefallen ist": "Verwaltungsvereinfachung", "Arbeitseinsparung auch bei Ihnen als Helfer", "Vermeidung von Missbrauch" oder, dass die Kosten von 4,50 Euro pro bald möglicher Barabhebung "günstiger als die Gebühren der gängigen Regionalbanken" seien. Außerdem sei das "Landratsamt im Übrigen rechtlich nicht befugt, von Asylbewerbern die Einrichtung eines Kontos zu verlangen". Abschließend bittet er um "Verständnis".

Im Antwortschreiben, das die Aktionsgruppe Asyl "stellvertretend für alle Helfergruppen" verfasst hat, setzten sich die Ehrenamtlichen sehr kritisch mit Bayerstorfers Ausführungen auseinander. Zur beabsichtigten Verwaltungsvereinfachung heißt es: "Wir stimmen Ihnen zu, dass es bessere Möglichkeiten als eine Barauszahlung gibt - zum Beispiel die Überweisung des Geldbetrags auf Girokonten." Inhaber von Bankkonten bekämen auch eine "in ihrer Funktion nicht limitierte EC-Karten", mit der sich bargeldlos einkaufen lasse. Das Argument, dass 4,50 Euro pro Abhebung mit dem Kommunal Pass günstiger als Bankgebühren seien, ziehe nicht: "Ein Großteil der Asylsuchenden muss zusätzlich Bankkonten unterhalten, um Verträge für Handy- und Internetgebühren, Anwaltskosten et cetera abwickeln zu können." Auch der Einwand, dass man keinen Flüchtling zu einem Konto zwingen könne, laufe ins Leere: "Beispiele aus umliegenden Landkreisen wie Freising zeigen, dass die Überweisung der monatlichen Leistungen auf Bankkonten hervorragend funktioniert. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Landratsamt Freising diese Entwicklung stark unterstützt." Im Landkreis Freising haben laut Auskunft der dortigen Kreisbehörde 99 Prozent der 2000 Flüchtlinge ein eigenes Bankkonto. Zudem stellen die ehrenamtlichen Helfer eine Gegenfrage: "Ist das Landratsamt denn befugt, von Asylbewerbern die Nutzung einer Geldkarte zu fordern?" Darüber hinaus wird beklagt, dass der Kommunal Pass in vielen Geschäften nicht funktioniere und in vielen Situationen - "in Bäckereien, Metzgereien, auf Flohmärkten, bei der Tafel, kleinen Geschäften auf dem Land, am Kiosk oder im Bus" - gar nicht eingesetzt werden kann.

Abschließend werden Äußerungen Bayerstorfer, der in einem Pressebericht mit den Worten zitiert wurde, er sei "dankbar für gewisse rechtswidrige Dinge, die Ehrenamtliche aktuell täten", scharf kritisiert. "Äußerungen dieser Art sollte ein Landrat nicht artikulieren." Der Brief schließt mit einem bitteren Fazit: "Das Vertrauen der Helfer wurde nachhaltig zerstört durch die Erfahrung mangelnder Bereitschaft des Landratsamtes zu einem fairen Umgang mit allen Beteiligten."

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