Flüchtlinge in Erding:"Das sind Strafaktionen"

Flüchtlinge in Erding: Die neue Flüchtlingsunterkunft in Lindum bei Dorfen.

Die neue Flüchtlingsunterkunft in Lindum bei Dorfen.

(Foto: Renate Schmidt)

Mitglieder der Aktionsgruppe Asyl beklagen mehrere vom Landratsamt angeordnete Umzüge von Flüchtlingen. Die Behörde setze ihre Anordnungen mit unverständlicher Unnachgiebigkeit durch

Von Florian Tempel, Erding

In den vergangenen Wochen hat das Landratsamt Erding eine ganze Reihe Umzüge von Flüchtlingen angeordnet. Laut Berichten von ehrenamtlichen Helfern der Aktionsgruppe Asyl (AGA) setzte die Behörde ihre Anordnungen zum Teil mit unverständlicher Härte, Unnachgiebigkeit und sogar Drohungen durch. So mussten in zwei Fällen hochschwangere Frauen wenige Tage vor dem Entbindungstermin umziehen, ohne Rücksicht auf ihre besondere Situation.

Dabei sei, sagten Mitglieder der AGA bei einem Pressertermin, in allen Fällen kein Grund ersichtlich gewesen, warum die Umzüge unbedingt und in großer Eile stattfinden mussten. Die Ehrenamtlichen beklagen, dass die unverständlichen Umzugsaktionen nicht nur die Betroffenen schwer belasteten, sondern auf diese Weise auch die erfolgreich begonnene Integration zerstört werden.

Auch die Helfer selbst fühlen sich vom Landratsamt vor den Kopf gestoßen, sind frustriert und empört. Ihnen kommen die Anordnungen des Landratsamtes, gegen die sie in jedem Fall gute Gründe vorgebracht und auf Alternativen verwiesen hätten, wie Willkür und Schikane vor, die sich gegen Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer gleichermaßen richten.

Im ersten geschilderten Fall, erhielt eine allein erziehende Mutter von drei Kindern, zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin ihres vierten Kindes den behördlichen Bescheid, aus ihrer bisherigen Unterkunft umzuziehen. Hilde Wunderlich und Peter Huber, die die Familie als Helferin seit etwa einem Jahr betreuten, sehen in dem Umzug "eine Strafaktion". Denn die Unterkunft, in der die Frau mit ihren Kindern in einem Zimmer lebte, sei nicht etwa aufgelöst worden. In das Zimmer sei eine anderen Familie einquartiert worden. Der Umzug treffe nicht nur die Frau, die mittlerweile ihr Baby zur Welt gebracht hat hart, sondern vor allem auch ihre älteren Kinder. Diese seien in der Grundschule gut integriert gewesen, hätten neue Freunde gefunden, im Verein Fußball gespielt oder in einem Jugendchor gesungen. "Integration kann nicht besser laufen", sagte Wunderlich.

Die Staatsregierung will,dass Flüchtlinge wieder mehrin großen Unterkünften leben

Das Landratsamt folgt seit einiger Zeit einer Vorgabe der bayerischen Staatsregierung, nach der Flüchtlinge wieder verstärkt in größeren Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen, statt dezentral in kleineren Einheiten zu leben. Solche Gemeinschaftsunterkünfte sind etwa die extra neu gebaute Container-Wohnanlage neben der Flughafentangente Ost zwischen Erding und Aufkirchen oder das umgebaute ehemalige Ausflugslokal Stiller in Lindum bei Dorfen mit jeweils mehr als hundert Wohnplätze. Die Gemeinschaftsunterkünfte sind für mehrere Jahre fest angemietet. Sie müssen auch deshalb gefüllt werden, weil es eine offensichtliche Geldverschwendung wäre, die freien Zimmer nicht zu belegen.

Ein zweiter Fall betrifft ein Ehepaar, das in Erding lebte. AGA-Mitglied Peter Libossek berichtete, dass dessen angeordneter Umzug weit weg aus Erding seiner Ansicht nach ebenfalls "eine Strafaktion" war. Das Paar hatte - da es vom Landratsamt mit einem zweiten Ehepaar zusammen in ein kaum 14 Quadratmeter großes Zimmer einquartiert worden war - sich in Eigenregie einen Gartenschuppen als Wohnraum eingerichtet. Der behördlich festgesetzte Umzug n wegen dieser Eigenmächtigkeit treffe das Ehepaar aber besonders hart, da der Mann nun seinen Arbeitsplatz zu verlieren droht, sagte Libossek. Der Mann hat seit Monaten schon einen Job als Küchenhelfer in Erding.

Margit Maier berichtete vom jüngsten Fall einer unverständlichen und unschönen Umzugsaktion. Die AGA hätte für eine Familie mit zwei Kindern, die in einem der alten Klassenzimmercontainer hinter dem Korbinian-Aigner-Gymnasium wohnte, zum 1. Oktober eine richtige Wohnung in Aussicht gehabt. Das Landratsamt habe sich jedoch nicht darauf einlassen wollen, die Familie so lange in der alten Unterkunft wohnen zu lassen - weil noch kein unterschriebener Mietvertrag vorgelegt werden konnte. Das Landratsamt habe darauf bestanden, dass die Familie in ein kleines Zimmer in einer Unterkunft in Berglern umziehen müsse. Der Leiter der Abteilung Asylmanagement sei schließlich persönlich in der Containerunterkunft erschienen. Sein Auftreten sei derart unsensibel gewesen, dass die hochschwangere Frau einen Schwächeanfall erlitt und in der gleichen Nacht noch ihr Baby auf die Welt brachte. Nach dem erzwungen Umzug der Familie nach Berglern seien dann zwei junge Männer in den Container einquartiert worden, sagte Maier.

Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hat seine Sicht der Dinge bereits vor einer Woche dem Münchner Merkur genannt: "Leider muss ich feststellen, dass es derzeit bei nötigen Umzügen mitunter zu Problemen kommt." Für Bayerstorfer steht jedoch außer Frage, durch wen die "Probleme" ausgelöst würden. Er sagte: "In Zukunft würde ich mir in diesem Bereich mehr Kooperationsbereitschaft von Seiten der Asylbewerber und auch der Ehrenamtlichen wünschen."

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