Firma in Pastetten:Steuerhinterziehung in Millionenhöhe

Wie aus dem Lehrbuch für Wirtschaftskriminalität: Zwei Angestellte sollen ein Produkt an die Konkurrenz verkauft und über eine Briefkastenfirma in der Schweiz Millionenbeträge kassiert haben.

F. Tempel

Nach den Ermittlungen der Steuerfahnder des Finanzamts Landshut und der Staatsanwaltschaft Landshut ist es ein Fall wie aus einem Lehrbuch der Wirtschaftskriminalität: Zwei Angestellte eines Unternehmens entwickeln ein Produkt ihrer Firma weiter und suchen sich Komplizen bei der Konkurrenz, denen sie die Innovation überlassen, wofür sie jedoch im Gegenzug über eine Briefkastenfirma in der Schweiz Millionenbeträge abkassieren. Laut Anklage sollen auf diese Weise fast elf Millionen Euro Steuern hinterzogen sein.

Der Hauptangeklagten ist ein 42-jähriger Ingenieur, der als Geschäftsführer einer ehemals in Pastetten ansässigen GmbH für die Hinterziehung von mehr als 6,5 Millionen Euro Gewerbe-, Körperschafts- und Umsatzsteuer verantwortlich gemacht wird. Zudem sind er und sein 53 Jahre alter früherer Kollege und Mitgesellschafter der GmbH der Hinterziehung von je zwei Millionen Euro Einkommensteuer angeklagt.

Mit auf der Anklagebank sitzen die zwei mutmaßlichen Komplizen, zwei ehemalige Manager eines Unternehmens aus dem Sauerland. Den 64 und 67 Jahre alten Männern wird Beihilfe zu den millionenschweren Steuerhinterziehungen vorgeworfen.

Die beiden Hauptangeklagten lernten sich 1994 in einem Unternehmen in Poing kennen, das Kabelschutzsysteme herstellt und vertreibt. Der eine arbeitet dort als Entwicklungsingenieur, der andere der Manager. Laut Anklage erfanden sie zusammen, auf dem Know-how des Poinger Unternehmens aufbauend, "eine spezielle Schutzummantelung für Kabel".

Um diese Weiterentwicklung für sich gewinnbringend zu verwerten, hätten sie von April 1997 an mit zwei Managern eines Konkurrenzunternehmens aus dem Sauerland einen für beide Seiten lohnenden Plan entwickelt.

Im Herbst 1998 verließen die beiden Angestellten des Poinger Unternehmens fast gleichzeitig die Firma. Schon Monate vorher hatte sie eine gemeinsame GmbH gegründet, die nach einer Umbenennung von November 1998 an ihren Sitz in Pastetten hatte. Außerdem gründeten sie in der Schweiz eine Briefkastenfirma.

Das Unternehmen aus dem Sauerland meldete derweil die ihnen überlassene Idee für den innovativen Kabelschutz als Patent an und begann mit der Produktion. Die Patentrechte lagen nur zu einem Teil bei dem Unternehmen aus dem Sauerland. Ein Anteil der Patentrechte sei trickreich der Schweizer Briefkastenfirma übertragen worden. In den Jahren 1998 bis 2004 wurden laut Anklage jedenfalls mehr als 15 Millionen Euro von den Unternehmen im Sauerland an die Briefkastenfirma in der Schweiz transferiert.

Die Staatsanwaltschaft Landshut argumentiert nun, dass die Schweizer Briefkastenfirma offensichtlich ausschließlich zum Zweck der Steuerhinterziehung gegründet worden sei. Denn die 15 Millionen Euro hätten eigentlich an die GmbH der Hauptangeklagten in Pastetten - deren Sitz später nach Rosenheim verlegt wurde - überwiesen werden müssen.

Dann aber hätte die Pastettener Gesellschaft auch eine Menge Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftssteuer zahlen müssen. Da die beiden Hauptangeklagten als Gesellschafter der Pastettener GmbH Gewinne in Millionenhöhe erzielt hätten, - wenn die 15 Millionen Euro nach Pastetten geflossen wären und nicht in die Schweiz - , wäre bei ihnen auch sehr, sehr viel Einkommensteuer angefallen. Nach den Berechnungen des Finanzamts Landshut von 1998 bis 2005 je rund zwei Millionen Euro.

Ob, wann und wie viel Geld die Hauptangeklagten von der Schweizer Briefkastenfirma abkassierten, ist ungeklärt. Vom Gericht zu ihren derzeitigen Einkünften und Vermögen befragt, gaben sie schmallippig zu Protokoll, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse seien "geordnet". Der Prozess dauert an.

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