Fast 200 Jahre Herbstfest:Wo sich Erding trifft

Als es Preise für das "schönste Pflügen" gab: Die Ursprünge des Herbstfestes reichen bis ins Jahr 1816. Eine sehenswerte Ausstellung befasst sich nun mit der wechselhaften Geschichte des Volksfestes, das dem Oktoberfest gar nicht so unähnlich ist

Von Florian Tempel, Erding

"Der Tag war ziemlich günstig und die Volksmenge nicht unbedeutend." Der Apotheker Sigmund Lober hat in seinem Tagebuch festgehalten, wie es war, als vor knapp 199 Jahren, am 29. September 1816 in Erding "zum ersten Mal das Kreisfest des ökonomischen Vereins" stattfand - und damit die Premiere des Erdinger Herbstfestes. Auf der Festwiese gleich hinter den Mauern von St. Paul waren "ein Pavillon neu errichtet und zwei Gezelte aufgeschlagen". Im Mittelpunkt des Geschehens, das an jenem Sonntag offenbar viele Bürger anzog, standen die Prämierungen von Pferden, Kühen, Schafen und Schweinen. Von Bierausschank und Belustigungen schreibt Apotheker Lober nichts. Bis sich aus den Anfängen eines Landwirtschaffestes ein richtiges Volksfest entwickelte, sollte es noch dauern.

Eine kleine, aber feine Ausstellung im Museum Erding zeichnet die Entwicklung des Festes nach. Die sehenswerte Schau hat Museumsleiter Harald Krause zusammen mit Stadtarchivar Markus Hiermer und einem großen Arbeitskreis Ehrenamtlicher zusammengestellt. Dank eigener Bestände sowie zahlreicher Leihgaben von Erdinger Bürgern und Firmen wird die Geschichte des Herbstfestes durch hoch interessante Originaldokumente, Fotos, Plakate und sehenswerte Exponate lebendig. Die Ausstellung ist von diesem Samstag an bis zum 30. September zu sehen.

Der Ursprung des Erdinger Herbstfestes ist derselbe wie der des Münchner Oktoberfest. 1810 ordnete König Maximilian per Dekret die Gründung eines landwirtschaftlichen Vereins an. Im gleichen Jahr veranstaltete eben dieser landwirtschaftliche Verein zur Hochzeit von Kronprinz Ludwig und Therese von Sachsen-Hildburghausen ein Pferderennen auf der großen Wiese, die seitdem den Namen der Prinzessin trägt. In den folgenden Jahren fanden auf der Theresienwiese Landwirtschaftsausstellungen statt, die immer mehr Publikum anzogen. Im Distrikt Erding muss spätestens bis 1813 ein Kreisverein des landwirtschaftlichen Vereins gegründet worden sein. Dass dieser dann 1816 ein landwirtschaftliches Kreisfest ausrichtete, macht Erding nach München und Straubing, wo ein ähnliches Fest bereits 1812 stattfand, zum drittältesten Volksfeststandort in Bayern überhaupt. In Rosenheim gab es so etwas erst 1861.

Nach dem ersten Anlauf war allerdings auch in Erding erst mal nichts mehr los. Die zweite Auflage fand erst 1852 statt, da aber schon als mehrtägige Veranstaltung. Die Prämierung landwirtschaftlicher Leitungen war nicht mehr nur auf Tiere aller Art beschränkt. Es gab auch Preise "für die im Betrieb der Landwirtschaft verwendeten Dienstboten". Wer als Knecht oder Magd besonders "fleißig, treu und redlich gedient und sich dabei sittlich gut betragen" hatte, konnte mit etwas Glück einen Geldpreis von fünf bis zehn Gulden nach Hause tragen - oder einen Teil davon auf dem Volksfest lassen.

Das Programm bei den folgenden Landwirtschaftsfesten 1860, 1864 und 1876 war ähnlich. Neben Tier- und Dienstboten-Prämierungen wurden die schönsten Feldfrüchte ausgezeichnet, es gab Preise für "das richtigste, zweckmäßigste und schönste Pflügen" und das "schönste und rascheste Mähen eines Wiesenteils". Die Gewinner wurden in Wettkämpfen gleich neben dem Festplatz ermittelt.

Vom Landwirtschaftsfest 1892 ist erstmals eine Fotografie erhalten. Die Aufnahme zeigt, wie sehr das Ganze schon ein Volksfest im heutigen Sinn war. Im Hintergrund sieht man Lustbarkeiten, wie ein riesiges, begehbares Bierfass und ein Riesenrad mit überdachten Gondeln. Von 1904 ist eine Planskizze erhalten, in der im Maßstab 1:1000 die Aufbauten auf dem Festplatz eingezeichnet sind. Museumsleiter Krause hat die Skizze auf einen heutigen Stadtplan übertragen. Man erkennt: Der frühere Festplatz lag ein Stück weiter südlich als heute - und war erheblich größer als der aktuelle. 1904 war das letzte Herbstfest vor dem Ersten Weltkrieg, das nächst fand erst 1928 statt. Alte Fotos von damals zeigen einen reich bestückten Festplatz und den Urtypus der seit einigen Jahren wieder so beliebten Urweißen-Hütte.

In der NS-Zeit wurde die Volksfestwoche mit einem "nationalsozialistischen Sportfest" verbunden. Die erhaltenen Plakate und Programme von 1934 und 1936 machen jedoch klar, dass es dennoch auch eindeutige Herbstfeste waren. In der offiziellen Zählung der Erdinger Herbstfeste werden sie allerdings - warum auch immer - einfach nicht mitgezählt. Vor 1949, als erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ein Herbstfest stattfand, sind deshalb nur acht Feste amtlich, was das diesjährige zum insgesamt 75. seiner Art macht.

Die Ausstellung im Museum Erding beschäftigt sich natürlich auch mit den seit 1949 jährlichen Herbstfesten. Fotos aus den fünfziger bis siebziger Jahren zeigen, dass kaum ein Mensch damals auf die Idee kam, das Fest in Dirndl oder Tracht zu besuchen. Ein Volksfest, das macht die sehenswerte Schau klar, unterliegt trotz aller Tradition einem ständigen Wandel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: