"Familie geschenkt bekommen":Auf Gastfreundschaft gebaut

Eine Frau aus dem Landkreis errichtet auf ihrem Grundstück ein Einfamilienhaus für Flüchtlinge aus Eritrea. Drei der künftigen Bewohner sind Lehrlinge, einer ist Schüler. Aus Angst vor Fremdenhass will die Bauherrin anonym bleiben

Von Regina Bluhme, Landkreis

Elvira K. hat ein Einfamilienhaus auf ihrem Grundstück bauen lassen. Vier Schlafräume plus Wohnzimmer, Küche, Bad. Einziehen werden dort ihre "Jungs", wie sie berichtet. Die Jungs sind vier Flüchtlinge aus Eritrea. Die anerkannten Asylbewerber im Alter von 19 und 20 Jahren wohnen derzeit noch bei ihr, gleich neben dem Rohbau. Sie helfen der chronisch erkrankten Frau im Haushalt und beim Einkaufen. "Ich habe eine Familie geschenkt bekommen" sagt Elvira K. Auf ihre Bitte hin hat die SZ den Namen geändert. Wo im Landkreis Erding das Haus steht, in das die vier jungen Männer einziehen werden, will sie nicht bekannt machen - aus Sorge um die Sicherheit ihrer Jungs.

"Servus", mit freundlichem Lächeln öffnet der junge Mann die Haustür. "Der Besuch ist da", ruft er in Richtung Wohnzimmer. Dort sitzt Elvira K. Das Gehen fällt ihr aufgrund einer unheilbaren Krankheit schwer. Als in ihrer Nachbarschaft eine Unterkunft für Flüchtlinge eröffnet wurde, sei sie offen auf die neuen Nachbarn zugegangen. "Ich bin früher viel gereist, gerne ganz weit weg", berichtet sie. Dort habe sie oft eine große Gastfreundschaft erfahren. "Jetzt kann ich nicht mehr reisen, jetzt kommt die Welt zu mir."

Mit einigen der Flüchtlinge habe sich ein sehr guter Kontakt ergeben, berichtet sie. Vier von ihnen wohnen seit einiger Zeit bei ihr und gehören für sie zur Familie. Drei absolvieren gerade eine Lehre als Schreiner, Glaser und Steinmetz bei Betrieben im Landkreis, einer besucht noch eine Integrationsklasse an der Berufsschule.

Ein bezahlbares Zimmer zu finden sei angesichts der Mieten im Landkreis unmöglich, sagt Elvira K. So habe sie sich entschlossen, auf ihrem Grundstück ein Haus für die vier zu bauen. Finanziell war das nur möglich, weil sie ein Haus im Speckgürtel von München geerbt und verkauft habe. Mit dem Erlös konnte Elvira K., die von einer kleinen Rente lebt, den Bau stemmen. Miete verlange sie schon, berichtet sie, aber in einer Höhe, die deutlich unter dem Mietniveau im Landkreis liegt.

Elvira K. ist kinderlos, "jetzt habe ich vier Kinder, eine ganze Familie bekommen", sagt sie. Die Jungs helfen ihr beim Waschen, Einkaufen, Wäscheaufhängen und Staubsaugen, "jeden Samstag putzen sie das Haus, da muss ich nichts sagen", verrät Elvira K. "Und ich habe auch wieder eine Aufgabe bekommen", betont sie. Mittags koche sie meistens und helfe bei den Hausaufgaben. Manchmal müsse sie auch trösten. Ein Familienritual sei das Frühstück am Samstagmorgen, dann kochen die Jungs für alle "Gaat", eine Speise aus ihrem Heimatland. Die vier jungen Männer sitzen im Wohnzimmer und hören aufmerksam zu. Ihr Deutsch ist mittlerweile so gut, dass sie in der Berufsschule im Unterricht mithalten können und sogar ein wenig Bairisch sprechen.

Kritische Stimmen musste sie sich anfangs anhören, sagt Elvira K. "Bis du wahnsinnig? Hast du keine Angst?", lauteten zum Beispiel einige der Reaktionen. Doch sie könne nur Gutes sagen, "ich werde respektiert, sie hören auf mich und meine Ratschläge, für mich ist das Leben mit den vier Jungs eine Bereicherung." Das sehen andere nicht so, das weiß sie. Deshalb will sie auf keinen Fall ihren Namen und den Wohnort öffentlich machen, denn sie befürchtet fremdenfeindliche Reaktionen. "Leider ist das Klima im Moment so, dass man Angst haben muss."

Ende Mai soll das Haus bezugsfertig sein. Den Innenausbau, das Verlegen der Böden und der Fliesen und das Malern der Wände wollen die vier so weit wie möglich selber erledigen. Sie freuen sich schon sehr auf ihr neues Zuhause. Drei Schlafräume oben, einer unten - die Zimmer haben sie sich schon aufgeteilt, am begehrtesten war das im Erdgeschoß, weil es gleich neben der Küche liegt, wie einer erklärt.

Zum Schluss geht es noch auf Besichtigungstour zum Rohbau quer durch den Garten. In der Garderobe zieht sich Elvira K. langsam ihre Turnschuhe an. Einer der jungen Männer steht schweigend neben ihr. Als sie sich aufrichtet, reicht er ihr den Arm. Sie hakt sich unter, zusammen gehen sie langsam nach draußen. Worte braucht es nicht. Familie eben.

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