Experten berichten:Ergebnisoffene Diskussion

Experten berichten: In Wörth ist man in Sorge: Rückhaltebecken und Damm, die dem Hochwasserschutz der Stadt Erding dienen sollen, würden Eingriffe in die Landschaft erfordern. Und die Auswirkungen sind noch unklar.

In Wörth ist man in Sorge: Rückhaltebecken und Damm, die dem Hochwasserschutz der Stadt Erding dienen sollen, würden Eingriffe in die Landschaft erfordern. Und die Auswirkungen sind noch unklar.

(Foto: Renate Schmidt)

Der erste runde Tisch zum Hochwasserschutz der Stadt Erding dient dem Informationsaustausch. Das Wasserwirtschaftsamt denkt jedoch schon weiter: 2022 könnten die Bagger anrollen

Von Philipp Schmitt, Erding

Die Arbeit an einem Hochwasserkonzept für die Stadt Erding bleibt schwierig, das hat der runde Tisch gezeigt, zu dem das Wasserwirtschaftsamt München vor wenigen Tagen in das Gasthaus Lindenwirt in Aufhausen geladen hat. Die Zusammenkunft diente dem Informationsaustausch, beim nächsten runden Tisch nach der Sommerpause sollen Varianten vorgestellt werden, um im zweiten Halbjahr eine Entscheidung zu treffen. "Wenn alles glatt geht, könnten 2022 die Bagger anrücken", sagte Christian Leeb, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes. Man müsse weiter kommen. "In Erding gibt es einen großen Erwartungsdruck."

Das Hochwasser im Juni 2013, als Keller in Altenerding überschwemmt wurden, ist vielen noch deutlich in Erinnerung. So etwas soll nicht noch einmal passieren, doch eine für alle Beteiligten und alle Gemeinden akzeptable Lösung zu finden, ist schwierig. Das Thema ist komplex, die Auswirkungen möglicher Maßnahmen sind unklar und umstritten. "Wir brauchen keinen Spielraum für Interpretationen. Beim nächsten Mal müssen wir über belastbar geprüfte Varianten diskutieren", forderte Erdings OB Max Gotz (CSU). "Es wurde deutlich, dass es Beeinträchtigungen in der Gemeinde Wörth geben kann. Die Experten haben Betroffenheiten beim Grundwasser aufgezeigt", sagte der Wörther Bürgermeister Thomas Gneißl (FW). In seiner Gemeinde gibt es Widerstand gegen den Plan, ein Rückhaltebecken mit Damm in Wörth zu errichten, das dem Schutz der Erdinger Bürger dient. Doch ohne dieses Becken wird es nicht gehen, diese Auffassung vertritt das Wasserwirtschaftsamt. Der Ingenieur Florian Barnerßoi stellten klar, dass nur mit Renaturierungsmaßnahmen Auswirkungen eines Hochwassers wie das von 2013 nur um Stunden verzögert würden. Helmut Trinkberger hatte solche Renaturierungsmaßnahmen gefordert. Er sieht in ihnen und in der Entschlammung der Gräben und Mulden große Potenziale.

Klar wurde außerdem durch die Untersuchung des Ingenieurs Christian Kölling, dass es noch Unwägbarkeiten beim Grundwasser gibt. Auf Nachfrage von Gneißl sagte Kölling zwar, dass er für Gebiete bei Wifling und Sankt Kolomann keine Beeinträchtigungen erwarte, das zweifelte ein Besucher jedoch an. Kölling sagte, dass die Grundwasserleitung entlang des Damms auch beim Bau des Beckens unverändert bleibe, bei größeren Hochwässern aber "Auswirkungen" möglich seien. Nähere Erkenntnisse sollen 66 Bodenbohrungen, davon 37 bis zum Grundwasser, bringen.

Barnerßoi räumte auch ein, dass für einige Siedlungen und Häuser in der Gemeinde Wörth im extremen Hochwasserfall leistungsfähige Pumpen erforderlich sein könnten. Bis zum nächsten runden Tisch will er ein Modell über die Auswirkungen des geplanten Damms bei Wörth auf die Hochwassersituation von Erding und Umgebung erstellen. Sein vorläufiges Fazit: Erding könnte durch den Hochwasserrückhalt, aber auch durch Deiche, Schutzmauern und Pumpen besser geschützt werden. Fritz Gruber und der Landwirt Michael Mayr von der Interessensgemeinschaft Wörth äußerten Zweifel an der Variante eines Rückhaltebecken, sie forderten stattdessen Schutzwände.

Thomas Atzenhofer und Constanze Hecker vom Wasserwirtschaftsamt stellten klar, dass Auswirkungen außerhalb des Beckens nur zu erwarten seien, wenn es komplett mit mehr als einer Million Liter voll gelaufen ist. Durch Erding sollen aber auch in diesem Fall 45 bis 50 Kubikmeter Wasser pro Sekunde abfließen können. Nach Abfluss des Hochwassers könnten die Flächen im Becken wieder landwirtschaftlich genutzt werden. Renaturierung ohne Rückhaltebecken, wie von Trinkberger gefordert, sei keine Lösung: "Renaturierung ist kein Werkzeug für jedes Hochwasser", sagte auch Stefan Homilius vom Wasserwirtschaftsamt. Er fügte an, dass bei vier Quadratkilometer Renaturierungsfläche die Effekte gering, die Eingriffe ins Eigentum und in die Landwirtschaft aber größer als beim Becken wären. Die Renaturierungsflächen würden wilde Auwälder und wären nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar. BBV-Kreisobmann Jakob Maier forderte, dass möglichst wenig Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden und Bauern für Überschwemmungsflächen Geld für die Bereitstellung und als Entschädigung im Hochwasserfall zu zahlen sei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: