Existenzielles Problem:Angst vor Obdachlosigkeit nimmt zu

Existenzielles Problem: Mehr Geschosswohnungsbauten könnten ein Teil der Lösung des Wohnungsproblems sein, sagt die Mietervereinsvorsitzende Eva Kolenda.

Mehr Geschosswohnungsbauten könnten ein Teil der Lösung des Wohnungsproblems sein, sagt die Mietervereinsvorsitzende Eva Kolenda.

(Foto: Renate Schmidt)

Mietervereinsvorsitzende Kolenda sieht den Markt am Kippen. Immer mehr Menschen könnten sich keine eigene Wohnung mehr leisten. Die Politik müsse endlich einsehen, dass mehr getan werden müsse

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Wenn Eva Kolenda die Situation auf dem Wohnungsmietmarkt in Erding beschreiben soll, dann fallen ihr nur negative Attribute ein: "schrecklich", "furchtbar" oder "schlimm". Seit dem Bestehen des Mietervereins, immerhin schon 25 Jahre, hat die Vorsitzende die Lage noch nicht so dramatisch gesehen. Das Thema bezahlbares Wohnen werde für immer mehr Menschen zu einer existenziellen Frage. Und es sei kein Ende abzusehen, wenn nicht bald die Politik eingreife, aber das sage sie seit Jahren. "Es muss in alle Köpfe rein, dass es ohne die Ausweisung von mehr Wohnungen nicht mehr geht", sagt sie. Das könne auch über dichteres Bauen oder über Geschosswohnungsbauten gehen, was durch eine gute Planung nicht zu einem Verlust von Lebensqualität führen müsse.

Wer sich im Internet auf die Suche nach einer Mietwohnung begibt, wird enttäuscht sein. In den beiden größten Immobilienportalen werden im gesamten Landkreis nur zwischen 25 und 57 Wohnungen angeboten. Darunter sind Ein- oder Zwei-Zimmer-Wohnungen in der Minderheit. Durch den Mangel an freien Wohnungen herrscht nach Eva Kolenda "Kapitalismus pur" auf dem Immobilienmarkt. Die Preise würden von Jahr zu Jahr mehr anziehen. Zurzeit beobachte man beim Mieterverein den Trend, dass bei Wohnungen, die bisher preislich unter der angegebenen durchschnittliche Höhe des qualifizierten Erdinger Mietspiegels gelegen haben, die Mieten angehoben werden.

Die Gründungsvorsitzende stellt aber auch andere fatale Auswirkungen ihrer Meinung nach fest. "Bei Mietern oder Wohnungssuchenden geht die Angst um." Bei Mängeln, Mieterhöhungen oder dem beliebten Streitthema Schimmelbefall werde kaum noch protestiert oder ein Rechtsanwalt eingeschaltet, weil man Angst habe, dass dann die Kündigung ausgesprochen werden könnte. Und was der Verlust der Wohnung dann bedeute, sehe man an den steigenden Obdachlosenzahlen. Schon länger würden die von den Kommunen bereit gestellten Obdachlosenwohnungen nicht mehr ausreichen. Und wer in einer sei, der werde schnell zum Dauerobdachlosen, weil er auf dem freien Markt keine eigene Mietwohnung mehr finde oder sie nicht bezahlen könne. Das letztere Problem treffe im Landkreis Erding auch immer mehr Rentner. "Viele Senioren ziehen in andere Landkreise oder Bundesländer, wo's billiger ist", sagte sie. Die Entwicklung zeige sich auch an den Mitgliederzahlen beim Mieterverein. Derzeit sind es noch rund 1500 Mitglieder - Tendenz rückläufig, da wohl potenziell neue Mitglieder aus Angst vor einem Konflikt mit ihrem Vermieter nicht beitreten wollten und ältere wegziehen oder sterben.

Dass die Vermieter die Mietpreisebremse umgehen, indem sie möblierte Zimmer vermieten, hat Eva Kolenda im Landkreis Erding noch nicht vermehrt festgestellt. Aber sie ist sich sicher, dass der Trend auch in Erding ankommen wird. "Bei einem Gespräch mit dem Deutschen Mieterbund in Berlin wurde mir das klar. Möblierte Zimmer sprechen wohl auch einen Trend in der jüngeren Bevölkerung an, die sich weniger an einen Ort binden wollen." Sie will deshalb gewappnet sein und darauf drängen, die Preise möblierter Wohnungen in den nächsten Mietspiegel aufzunehmen, der im Juli/August 2018 erstellt werden soll.

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