Ergebnisse und Reaktionen :Schlechter als erwartet

Bei der CSU und der SPD in den Landkreisen Erding und Ebersberg ist man enttäuscht über das eigene Abschneiden. Aber manche stellen sich schnell auf die Zukunft ein. Ewald Schurer hat schon kurz nach 18 Uhr einen Plan

Sie wussten, dass es weniger werden würde. Weniger als die 25,7 Prozent, mit der die SPD aus der Bundestagswahl vor vier Jahren ging. 20 Prozent bescheinigt die erste Prognose den Sozialdemokraten. "Das ist am unteren Ende dessen, was die Umfragen vorhergesagt haben", sagt Ewald Schurer mit weicher Stimme. "Das ist in jeder Hinsicht ernüchternd. Aber das muss man jetzt einfach so annehmen." Hilft ja nichts. Wahl ist Wahl. Schurer kann nichts mehr erschüttern Der SPD-Direktkandidat des Wahlkreises Erding-Ebersberg hat gut Reden, könnte man sagen. Auf Platz fünf der Landesliste war der Ebersberger bestens abgesichert. "Um mich geht es doch überhaupt nicht", sagt Schurer. Am Wahlabend zähle die Partei, dann erst der Abgeordnete. Ganz abgesehen davon: "Wenn deine Fraktion von 193 Mitgliedern auf 130 oder 140 gestutzt wird, hängen da eine Menge persönliche Schicksale dran."

Schurer hadert mit der SPD-Strategie der vergangenen Monate. "Die SPD hat das Elterngeld durchgesetzt, den Mindestlohn, die Ehe für alle." Er wolle gar nicht wissen, wie das Land aussähe, hätte die Union anstelle der SPD mit der FDP regiert. "Aber es ist uns überhaupt nicht gelungen, das im Wahlkampf umzusetzen." Er spricht sich schon früh an diesem Abend dafür aus, dass die SPD in die Opposition geht. Es ist nicht ohne Mut, dass Schurer sich schon um kurz nach 18 Uhr als Sympathisant einer solchen Marschrichtung outet. Der Parteivorstand tritt mit der Ansage erst eine halbe Stunde später vor die Kameras und Mikrofone.

Ergebnisse und Reaktionen : Für den SPD-Direktkandidaten Ewald Schurer (links bei der AWO in Erding) ist das Ergebnis der Bundestagswahl "in jeder Hinsicht ernüchternd".

Für den SPD-Direktkandidaten Ewald Schurer (links bei der AWO in Erding) ist das Ergebnis der Bundestagswahl "in jeder Hinsicht ernüchternd".

(Foto: Renate Schmidt)

In der kleinen "El Macho"-Runde in Ebersberg geht es eine Stufe tiefer in die Analyse. Daniel Kalteis, Geschäftsführer des Ebersberger SPD-Kreisverbands und mit seinen 33 Jahren so etwas wie Schurers Nachfolgegeneration, versucht diese Skizze: "Viele der Themen, die gerade so drängen, sind unglaublich komplex. Selbst diejenigen, die sich dafür interessieren, müssen sich bei der Rente oder der Digitalisierung wahnsinnig reinfuchsen." Den Erfolg der AfD will Schurer differenziert betrachten. "Wir dürfen jetzt auf keinen Fall den Fehler machen und so tun, als wären alle AfD-Wähler rechtsextreme Gaulands." Das werde dem Problem nicht gerecht. "Bei unseren Wahlkampfständen habe ich ganz deutlich gespürt, dass es viele gibt, die uns etablierten Parteien einen ordentlichen Denkzettel verpassen wollten."

Wenige Minuten vor 18 Uhr ist die Stimmung im Festsaal des Wendlandhauses in Hohenlinden verhalten bis angespannt. Nur wenige Mitglieder des Kreisverbands Erding-Ebersberg der CSU sind vor Ort, als die ersten vorläufigen Ergebnisse über den Bildschirm laufen. Als klar ist, dass die Union das schlechteste Ergebnis seit 1949 eingefahren hat, muss sich ein Mitglied am Tisch festhalten. Und als die Zahlen für die AfD bekannt werden, pfeifen so manche CSU-ler durch die Zähne. Eine Frau nimmt schweigend einen langen Schluck aus ihrer Flasche Bier. Versteinerte Gesichter, mancherorts Schulterzucken, so richtig überrascht ist niemand über das schlechte Abschneiden der CSU. Es herrscht fast ein wenig Erleichterung im Saal, als der Fernsehmoderator erwähnt, der SPD seien noch mehr Wähler flöten gegangen. Und als Gauland ins Mikrofon keucht, man werde die Union und Merkel jagen, müssen ein paar Mitglieder wegschauen.

Bundestagswahl 2017

Gemeinsam mit Hausherr Robert Niedergesäß begutachten die Kandidaten der möglichen Koalitionäre, PeterPernsteiner (FDP) und Andreas Lenz (CSU; von links) im Landratsamt die Hochrechnungen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Ja krass", sagt CSU-Mitglied Daniel Glottal, "ich habe nicht gedacht, dass die CDU/CSU so viele Stimmen einbüßen würde." Den Grund für das schlechte Abschneiden sieht er in der Vorgehensweise der großen Schwesterpartei: "Die Leute sind im Grunde schon zufrieden, aber die CSU kann sich leider nicht durchsetzen gegen die CDU." Mit ausschlaggebend sei seiner Meinung nach auch die Kundgebung in Rosenheim vor wenigen Wochen gewesen, als die Kanzlerin vor versammelter CSU-Mannschaft wiederholt hatte, dass es keine Obergrenze gebe. Robert Niedergesäß, Ebersberger Landrat, sieht keinen Grund zur Freude am Wahlabend: "Auch wenn CDU/CSU gewonnen haben, ist es für uns ein schlechtes Ergebnis." Es lasse sich vor allem durch die Stimmung in der Bevölkerung erklären, die mit der vermehrten Zuwanderung von Flüchtlingen 2015 begonnen habe. "Das habe ich als Lokalpolitiker auch immer wieder an den Wahlständen zu spüren bekommen, dass sich die Bürger an dieser Stelle vernachlässigt gefühlt haben", sagt er. Die Chance, diese Menschen mit an Boot zu holen, hätten die Parteien verpasst, meint Niedergesäß: "Insbesondere die CDU hat die Signale von der Basis, die wir immer wieder gesendet haben, nicht verstanden." Die Kanzlerin habe in Sachen Flüchtlingspolitik den Nerv der Bevölkerung getroffen und nicht verstanden.

Die Grünen-Kandidatin Anna-Maria Lanzinger ist mit ihrem Wahlergebnis zufrieden. Die Stimmung auf der internen Wahlparty der Grünen im Wahlkreis Ebersberg-Erding sei gut, sie hätten einen guten Wahlkampf gemacht, sagt sie. Insgesamt sei das starke Ergebnis der Grünen in Bayern ein klares Zeichen. Über ihr eigenes Erststimmenergebnis könne sie sich nicht beklagen. Lanzingers Ziel seien neun Prozent der Erststimmen gewesen, sagt sie. Das hat sie erreicht. Wichtiger sei ihr allerdings der Zweitstimmenwahlkampf gewesen. Nun müsse eine klare Kante gegen rechts gezeigt werden. Der Rechtspopulismus sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen. "Das wird keine schöne Legislaturperiode", sagt Lanzinger. Als junger Mensch mache sie sich Sorgen.

Thomas Schuster, Vorsitzender der Erdinger FDP, kommt zur eigenen Party im exakt richtigen Moment, um 18 Uhr: Im Fernsehen, der im Gasthaus "Zum Adlberger" an der Wand hängt, verkündet die ARD ihre erste Prognose, die FDP liegt demnach bei 10,5 Prozent. Schuster ist gerade dabei, sich auf einen Stuhl zu setzen, da schnellt er schon wieder hoch: "Super, zweistellig!", ruft er in die Runde. Dann bestellt er sich ein Helles. Die Party kann beginnen. Zugegeben, sie ist relativ klein. Aber immerhin hat die FDP als einzige Partei in beiden Landkreisen, Erding und Ebersberg, Wahlpartys zustande gebracht. Im Altenerdinger Gasthaus überwiegt zunächst die Freude über den Erfolg. Man hatte mit einem zweistelligen Ergebnis geliebäugelt, das schon. "Aber vor einem Jahr hätte damit noch niemand ernsthaft gerechnet - für uns ist das überragend", freut sich Schuster. Dann wird der Ton allerdings bald nachdenklicher. Die Debatte kreist um die Frage, was mit diesem "überragenden Ergebnis" anzustellen ist. Zumal sich die SPD früh am Abend in die Opposition verabschiedet. In dem Fall ist nur noch ein Dreierbündnis möglich, dafür müsste sich die FDP mit Union und Grünen zusammenschließen. "Schwierige Verhandlungen" vermutet Schuster. Klar gebe es bei den Grünen "Vernünftige", mit denen man reden könne, aber eben auch solche, die mit Fahrverboten in Innenstädten wedeln. Sicherer wäre die Opposition, findet auch Peter Pernsteiner, der Direktkandidat. In der ARD wird ein Meinungsbild eingeblendet: 42 Prozent der FDP-Wähler fänden demnach eine Jamaika-Koalition gut. Kurze Umfrage am Tisch, wer könnte sich eine Koalition mit der Union und den Grünen vorstellen? Sechs von neun heben die Hände, wenn auch zögernd. "Aber nur, wenn die Inhalte stimmen", betont Schuster.

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