Erdinger Verein zeigt sein Hobby:Eine Frage des Maßstabs

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Beim Modellbautag in der Schleißheimer Flugwerft basteln Eltern und Kinder im Schatten ausrangierter Originale an kleinen Jets und Autos

Von Markus Mayr, Oberschleißheim

Ein mächtiger Kampfjet vom Typ Eurofighter reckt seine spitze Schnauze bedrohlich gen Decke. Trotz der Raketen an der Unterseite der Tragflächen wird von diesem Flugzeug nie mehr eine Gefahr ausgehen. Es ist ein Anschauungsobjekt, so wie der Hubschrauber, der im selben Raum von der Decke hängt; eine Bell der Bundeswehr, gebaut um hoch zu steigen, tief zu sinken, durch die Luft zu preschen; jetzt schwebt sie nur mehr, ohne Geräusch, in der Bewegung erstarrt.

Im Schatten dieser imposanten Originale werden sich bald kleine Kopien tummeln. Allerdings keine Kampf- oder Rettungsflugzeuge, sondern Modelle von Verkehrshubschraubern oder -flugzeugen. Sie werden auch nicht fliegen, nur stehen. Gebaut um des Bauens Willen. Autos, Schiffe und Häuser warten gleichermaßen darauf, von geschickter Hand gefertigt zu werden; die Motivation dahinter heißt Freude am Erschaffen und Wunsch nach Begreifen. Im Wortsinn: verstehen durch anfassen, wie Norbert Scholz es ausdrückt.

Der 46-Jährige ist Mitglied im Erdinger Plastikmodellbauclub, der am bundesweiten Tag des Modellbaus zum Basteln eingeladen hat. An diesem Sonntag sollen Erwachsene und Kinder - vornehmlich werden es Kinder sein - in den Hallen der Flugwerft Schleißheim das "Erlebnis des Zusammenbaus" haben, wie Scholz sagt. Er ist sichtlich fasziniert von seinem Hobby. Er sagt, er liebe es, am Modell zu lernen, wie und warum das Original aus diesem und jenem Teil bestehe.

Anfänger müssen im Bausatz die Teile erst einmal finden: Die grafische Anleitung lässt eigentlich keinen Zweifel zu. Der Modellbauer muss Teil eins in Teil vier stecken. Doch welches der 14 winzigen Plastikstücke trägt die Nummer eins? Scholz hilft und erläutert die Legende zur Anleitung. Dann beginnt er, der Bau des Eurocopters EC 135, in der schwarz-gelben Engelfarbe des ADAC. Ist der ehemalige Präsident des Automobilclubs vor einem Jahr zurückgetreten, nachdem er privat mit genau so einer Maschine geflogen ist? Möglich.

Scholz' Sohn Karl tritt nur zum Teil in die Hobby-Fußstapfen seines Vaters. "Ich habe meinen Sohn verloren", sagt er und lacht. Der 14-jährige Karl hat sich mittlerweile für den Bau von ferngesteuerten Modellen entschieden. Das Zubehör ist zwar weitaus teurer, aber man kann mit den Modellen eben auch was anfangen. Wie zum Beispiel gegen einen Laternenmast steuern, triezt der Vater den Sohn im Spaß. Im Ernst fügt Scholz dann noch hinzu, sichtlich stolz, dass sein Sohn das Wissen aus dem klassischen Modellbau auf die moderne Art überträgt, um Unfallschäden wieder zu reparieren.

Bei Beginn der 10. Modellbauaktion der Erdinger um 9 Uhr ist noch kein einziger Besucher zu sehen. Für Modellbau muss man anscheinend ausgeschlafen haben. Selbst der Verein labt sich noch am Frühstückskaffee und frisch geschmierten Marmeladensemmeln. Rund 15 von 75 Mitglieder sind gekommen. Fast alle sind sie männlich, mit zwei Ausnahmen, fast alle sind sie mittleren Alters und älter, mit einer Ausnahme. Gegen 10 Uhr trudeln die ersten Kinder ein. "Was willst du denn bauen?", fragt ein Vater seine Tochter. "Komm, such dir was aus." Sie wählt ein Haus und fängt an, die Plastikteile auszupacken. Sichtlich mit Freude ist bereits eine Handvoll Kinder am Werk. Ein junger Bub guckt allerdings etwas ratlos in die Luft. Ein gewisses Alter ist offenbar vonnöten, um Freude am Zusammenstecken winziger Teile zu haben.

Der Rotor wartet darauf, auf das Dach des Helikopters gesetzt zu werden. Der winzige Heckrotor sitzt schon am passenden Ort. Ein Glück, dass den keiner verschusselt hat. Das lag wahrscheinlich am geübten Auge und der Aufsicht des Modellbauleiters Scholz. Bald dürfte der Heli fertig sein. Jetzt müssen nur noch die dünnen schwarzen Kufen an der Unterseite angebracht werden.

Ein Modellbausatz besteht aus einer Menge filigraner Teile, dank Computertechnik von hoher Präzision. Dazu kommt ein kleiner Seitenschneider, eine Feile, im besten weil günstigsten Fall eine Leihgabe von Mama, Frau oder Freundin - vollständig ist das Rüstzeug des Modellbauers. Ach ja, Kleber braucht der Bastler noch. Und "dosierte Kraft und Feinmotorik", sagt der Vereinsvorsitzende Othmar Hellinger.

Unter dem Druck der Hand des Bastlers bricht dann die rechte Kufe weg. Kleber kann den Schaden vorerst richten. Den Transport nach Hause überlebt das geflickte Modell trotzdem nicht. Es ist in der Tat nur zum Anschauen gedacht.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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