Entwicklung:"Wir erfahren gar nichts"

Entwicklung: Nach wie vor stehen 3500 Schlafplätze - wie diese in einem alten Flugzeugunterstand - im derzeit ungenutzten Flüchtlingscamp bereit.

Nach wie vor stehen 3500 Schlafplätze - wie diese in einem alten Flugzeugunterstand - im derzeit ungenutzten Flüchtlingscamp bereit.

(Foto: Renate Schmidt)

OB Gotz ist sauer, dass noch immer nicht über die Zukunft des Warteraums Asyl am Fliegerhorst entschieden ist. Nach der Verschiebung des Bundeswehrabzugs sei das ein weiterer "Nackenschlag" für die Stadtentwicklung

Von Florian Tempel und Gerhard Wilhelm, Erding

Das Abwarten im Warteraum Asyl dauert an - und niemand scheint zu wissen, ob, wann und wie es weitergehen wird. Seit Ende März sind in dem riesigen Flüchtlingscamp am Fliegerhorst Erding keine Flüchtlinge mehr aufgenommen worden. Das EU-Umverteilungsprogramm, bei dem seit Herbst 2016 etwa 11 500 ausgewählte Flüchtlinge aus Griechenland und Italien über einen Kurzaufenthalt in Erding in Deutschland aufgenommen wurden, ist ausgelaufen. Und nun? "Über die Zukunft des Warteraums Erding ist derzeit noch nicht entschieden", mehr ist vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht zu erfahren. Das Bamf verweist im Übrigen darauf, dass die Entscheidung im Bundesinnenministerium getroffen werde.

Für OB Max Gotz (CSU) ist die Aussage des Bamf, dass immer noch nichts entschieden ist, ein weiterer "Nackenschlag". Die "Entscheidungsmüdigkeit", die er bei den zuständigen Ministerien in Berlin erlebe, sei in Erding schwer nachzuvollziehen. Gotz spielt dabei auf die erst vor wenigen Tagen bekannt gewordene Verschiebung des Bundeswehrabzugs bis 2024 an: "Seit 13 Jahren reden wir jetzt über die Konversion des Fliegerhorstes, auf dem auch das Camp steht, und viele Leute haben viel Energie in das Projekt gesteckt, damit dieser wichtige Teil der Stadt vernünftig geplant wird - und dann passiert nichts."

Gotz ärgert auch, dass Erding als Konversionsstadt in einer der wichtigsten Wachstumsregionen völlig vom Informationsfluss abgeschnitten sei: "Wir erfahren gar nichts. Wenn wir wenigstens Kopien der Mails oder Schreiben bekommen würde. Jetzt will sich der Städtetag dafür einsetzen, dass wir wenigsten mehr direkt aus den Ministerien erfahren."

Womöglich ist die Zukunft des Flüchtlingscamps schon längst entschieden und steht im "Masterplan Migration", den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in dieser Woche vorstellen wollte, das aber überraschend verschob. Für Gotz ist ein Schlüsselelement, wie es mit den geplanten Ankerzentren weiter geht, da das Einfluss auf die Zukunft des Erdinger Camp haben könnte. In Ankerzentren sollen Flüchtlinge künftig bis zu ihrer Anerkennung oder ihrer Abschiebung leben.

Der Warteraum Asyl verfügt über 3500 Schlafplätzen in alten Flugzeugunterständen und neuen Leichtbauhallen. Für so viele Menschen ist auch die Infrastruktur zur Versorgung und die sanitären Einrichtungen ausgerichtet. Dazu gibt es Dutzende Bürocontainer für die Registrierung und Verwaltung. Alles ist nur für eine vorübergehende Unterbringen von Menschen eingerichtet - was gegen eine Eignung als Ankerzentrum spricht. Nachdem das Camp im Herbst 2015 errichtet worden war, durchliefen es bis Frühjahr 2016 fast 100 000 Flüchtlinge. Alle blieben nur kurz im Warteraum. Ebenso wie die Relocation-Flüchtlinge, von denen die meisten nicht mal 24 Stunden in Erding waren.

Das abgelaufene Umverteilungsprogramm könnte eine Vorlage für eine ähnliche Funktion des Warteraums Erding in der Zukunft sein. Von August an ist der Familiennachzug für "subsidiär Schutzberechtigte" möglich. Pro Monat dürfen dann 1000 Angehörige, von bereits hier lebenden Flüchtlingen nach Deutschland nachkommen. Auch beim Relocation-Programm war die Einreise von 1000 Menschen pro Monat angesetzt. Das ergab jede Woche ein oder zwei Flugzeuge voll Flüchtlingen, die in gecharterten Maschinen von Rom oder Athen aus nach München geflogen wurden. Vom Flughafen aus ging es in Bussen direkt in den Warteraum Asyl zur Registrierung. Die Flüchtlinge betraten gewissermaßen im Erdinger Camp offiziell deutschen Boden, bevor sie am nächsten Tag weiterverteilt wurden. Womöglich ist ja der Familiennachzug ähnlich geplant.

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