Erding:Wenn Flüchtlinge am Flughafen stranden

Söder schließt Zäune an deutschen Grenzen nicht aus

Den umzäunten Bereich und auch den Flughafen dürfen die Flüchtlinge nicht verlassen. Das Gelände gilt als Außengrenze Deutschlands, sie sind nicht eingereist.

(Foto: dpa)

550 Passagiere haben 2015 am Flughafen München Asyl beantragt. Bis klar ist, wie es für sie weitergeht, müssen die Bewerber dort bleiben.

Von Regina Bluhme, Flughafen

Hundertausende sind auf der Flucht, versuchen per Boot oder zu Fuß nach Europa zu gelangen. Weitaus seltener kommt es vor, dass Asylbewerber mit dem Flugzeug ankommen. Im Jahr 2015 haben knapp 550 Passagiere am Flughafen München Asyl beantragt. Diese Zahlen nennt die Bundespolizeiinspektion. So kommt es, dass sich Erdinger Richter zuweilen mit internationaler Politik beschäftigen müssen, nämlich dann, wenn es um Fristverlängerungen im Rahmen des Dublin-Abkommens geht.

Wie es für die Asylbewerber nach der Landung weitergeht, weiß Christian Köglmeier, Pressesprecher der Bundespolizei. "Wir überprüfen, ob die Identität des Antragstellers mit seinen Ausweispapieren übereinstimmt, Foto und Fingerabdrücke werden mit einer europaweiten Datenbank abgeglichen." Wenn sich herausstellt, dass der Passagier bereits in einem anderen EU-Land Asyl beantragt hat, "dann muss er laut Dublin-Abkommen in das Land zurückkehren, in dem er den Asyl-Antrag gestellt hat", sagt Köglmeier.

30 Tage kann die Bundespolizei Flüchtlinge am Flughafen festhalten

Das Bundesamt für Migration informiert das betreffende Erstaufnahmeland. Das "Wiederaufnahmeverfahren", so der offizielle Ausdruck, beginnt. 30 Tage kann die Bundespolizei den betreffenden Passagier am Flughafen festhalten, ohne dass es einer richterlichen Anordnung bedarf. Es passiert aber immer wieder, dass das Prozedere mehr als 30 Tage in Anspruch nimmt, sagt Köglmeier. Hier kommt das Amtsgericht Erding ins Spiel. Denn in Erding wird entschieden, ob die Bundespolizei den Asylsuchenden länger festhalten darf. Stimmt der Richter einer Fristverlängerung zu, dann läuft das Verfahren weiter und der Asylbewerber muss in einer eigens eingerichteten Unterkunft am Flughafen bleiben. Wird eine Verlängerung abgelehnt und das Erstaufnahmeland hat sich immer noch nicht geäußert, dann durchläuft der Migrant ein "normales" Asylverfahren und wird in eine Erstaufnahmeunterkunft geschickt.

180 Menschen mussten 2014 im Rahmen des Dublin-Abkommens Deutschland über den Flughafen München verlassen, informiert Köglmeier. Nur in einem Fall hat das Erdinger Amtsgericht einen Aufenthalt in der Flughafenunterkunft richterlich angeordnet. "Diese Verfahren sind bei uns sehr selten", bestätigt Stefan Priller, Pressesprecher des Amtsgerichts Erding. "Pro Jahr wird ein Fall verhandelt." Dazu muss der Asylbewerber vom Flughafen persönlich vor dem Amtsrichter erscheinen. In Begleitung der Bundespolizei und mithilfe eines Dolmetschers wird dann über den schriftlichen Verlängerungsantrag verhandelt. "In der Regel dauert das eine halbe Stunde", sagt Priller. Wie Christian Köglmeier mitteilt, wird demnächst wieder ein Fall auf die Erdinger Richter zukommen.

Bis zu 50 Neuankömmlinge können in dem umzäunten Container wohnen

Bis zu einer Entscheidung der Erdinger Richter wird der Asylbewerber am Flughafen in einer eigens eingerichteten Unterkunft untergebracht. Betrieben wird die Einrichtung von der Regierung von Oberbayern. Gedacht ist die Flughafenunterkunft auch für die Passagiere, bei denen das 1993 eingeführte "Flughafenverfahren" greift. Das sind Fluggäste, die erstmals Asyl beantragen, aber keine oder gefälschte Dokumente besitzen oder aus einem "sicheren Herkunftsstaat" kommen. In diesen Fällen müssen Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge innerhalb von zwei Tagen entscheiden, ob der Antrag zurückgewiesen wird oder nicht. Inklusive Einspruchs- und Widerspruchsfristen dürfen maximal 19 Tage vergehen.

Versorgt werden die Asylbewerber laut Michaela Krem, Pressesprecherin der Regierung von Oberbayern, mit Lebensmittelpaketen, die sie in der Küche der Unterkunft selbst zubereiten können. Es gibt in dort einen Sicherheitsdienst und Mitarbeiter der evangelischen Kirche im Rahmen des Flughafensozialdiensts. Zum Team gehört die Sozialpädagogin Clarita Edmond. Sie versorgt die Asylbewerber nötigenfalls mit Kleidung oder Sanitärartikeln und ermöglich ein Telefonat. Das umzäunte Containergebäude hat nach Angaben von Michael Krem eine Kapazität von 50 Plätzen. Diese seien jedoch "nicht durchgängig, sondern immer wieder und in geringem Umfang" belegt. Ausgerechnet Heiligabend musste ein einziger Asylbewerber dort verbringen, berichtet Clarita Edmond. Es wurde aber tatsächlich weihnachtlich: Wie Edmond berichtet, haben der Kurde und der Mann vom Sicherheitsdienst zusammen gekocht.

Verlassen dürfen die Asylbewerber das Gelände am Airport nicht. Wie Köglmeier erklärt, gelten die Flughäfen als Außengrenzen Deutschlands. Offiziell sind diese Passagiere nicht eingereist.

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