Erding:Voll im Wind

Der Landkreis trotzt dem Schrumpfen der Flächen und den Gesetzesplänen von Ministerpräsident Horst Seehofer. "Wir werden auf die Nutzung von Windkraft nicht verzichten", sagt Erdings Landrat Martin Bayerstorfer (CSU)

Von Wolfgang Schmidt und Florian Tempel

Die Windkraftpläne für den Landkreis bekommen heftigen Gegenwind - von innen und von außen. Der Taufkirchener Bürgermeister Franz Hofstetter (CSU) will ein Windkraftareal neben dem kleinen Dorf Solching verhindern. Von Außen bläst die bayerische Staatsregierung zum Angriff. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Vereinbarung, jedes Bundesland solle eigene Abstandsregeln festlegen können, könnte jedes große Windrad im Landkreis verhindern. Auch die zur Verfügung stehenden Flächen werden rar. Der Windpark bei Moosinning fällt weg, weil die Deutsche Flugsicherung wegen des Funkfeuers bei Poing ihr Veto eingelegt hat. "Wir werden auf die Nutzung von Windkraft nicht verzichten", betont Erdings Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) trotzdem.

Im neuerlichen Schrumpfen der für Windkraft zur Verfügung stehenden Fläche sieht Bayerstorfer noch das geringste Problem. Dadurch verringert sich zwar die im Teilflächennutzungsplan ausgewiesene Landkreisfläche für Windräder von 1,0 auf 0,5 Prozent. Wichtig sei aber, dass die "Potentialfläche" mit aktuell 7,6 Prozent praktisch gleich bleibe, betont Bayerstorfer. Die Potentialfläche ist die Fläche des Landkreises, auf der nach dem Anwenden der unbedingten Ausschlusskriterien wie Flughafen oder seltenem Getier von Gesetz wegen überhaupt Rotoren entstehen dürfen. Als die Regierung von Oberbayern ihre Zustimmung zu den Windkraftplänen signalisiert hat, lag der entsprechende Wert laut Bayerstorfer bei 7,89 Prozent. Entscheidend anders sähe die Situation aus, wenn sich Buch am Buchrain über ein kürzlich gescheitertes Bürgerbegehren aus dem Teilflächennutzungsplan verabschiedet hätte. Dann wäre die originäre Potentialfläche verkleinert worden - und dabei würde die Aufsichtsbehörde nicht mehr mitspielen.

Taufkirchens Bürgermeister Hofstetter vertritt eine Haltung, die sich, wie er selbst einräumt, " widersprüchlich anhört". Zum einen beteuert er, der Landkreis brauche den gemeinsamen Teilflächennutzungsplan, der mehrmals überarbeitet werden musste, aber nun allmählich auf die Zielgerade kommt: "Der ist absolut wichtig, weil es sonst zu einer Verspargelung kommt." Den möglichen Windkraftstandort bei Solching will er aber nicht akzeptieren. Sein Argument: Es sei ungerecht, dass laut den Vorgaben des Teilflächennutzungsplans nur 650 Meter Abstand zum Dorf eingehalten werden, statt 1000 Meter, wenn Solching den Status eines allgemeinen Wohngebiets hätte. "Die Leute wohnen in Solching doch nicht anders, als die in einer anderen Siedlung in Taufkirchen." Mit dieser Argumentation ist Hofstetter auf einer Linie mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Denn der fordert nicht nur größere Abstände, sondern vor allem auch eine Gleichbehandlung der Anwohner, egal ob sie in allgemeinen Wohngebieten, Misch- oder Dorfgebieten oder im Außenbereich leben.

"Für uns gilt immer noch Recht und Gesetz", sagt Marc Wißmann, stellvertretender Direktor des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum und Chefplaner des Windkraftplans für den Landkreis. "Man kann gar nichts anderes machen", als auf der Grundlage der bestehenden Gesetze zu planen. Zu Hofstetters Forderung, für Solching eine Ausnahme zu machen, sagt er, "Solching ist kein atypischer Sonderfall, sondern der Normalfall im Landkreis". Wenn man größere Abstände hernehmen würde, um ein Dorf vor Windkraft zu bewahren, müsste man das analog im gesamten Landkreis so tun. Doch schon bei 1000 Metern Mindestabstand "bleibt im Landkreis nicht mehr viel übrig".

Die geltende Rechtslage gebe den 26 Kommunen im Landkreis immerhin den Spielraum, dass hier sowieso mit größeren als den gesetzlichen Abständen geplant werde, betont Wißmann. Und selbst wenn die bayerische Staatsregierung - wie es Wirtschafts- und Energieministerin Ilse Aigner (CSU) angekündigt hat - im Januar ihre Vorstellungen zu neuen, erweiterten Abstandsregelungen vorlegen wird, könnten auch diese nicht in den Planungen berücksichtigt werden. Ganz einfach, weil sie nicht Gesetz sind. Diese Sichtweise wird von Bayerstorfer voll geteilt. Was die Staatsregierung wolle, habe momentan lediglich den Rang von "Empfehlungen". Er könne sich nicht vorstellen, dass "rückwirkend" ein Gesetz die aus dem Teilflächennutzungsplan resultierenden Planungen außer Kraft setzen könne.

Der Landkreis fährt aber sowieso zweigleisig. Unabhängig davon, ob der Teilflächennutzungsplan Windkraft doch noch platzen sollte, wird die kürzlich gegründete Energievision Landkreis Erding Projektentwicklungs (EVE) GmbH ihre Arbeit vorantreiben. Deren Aufgabe besteht im konkreten Ermitteln von Standorten, an denen Windkraft wirtschaftlich betrieben werden kann und im Abschluss von entsprechenden Sicherungsverträgen mit den Eigentümern.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: