Erding:Unter dem Bogen

Erding: Elegant überspannt das Kunstwerk "Jetzt" die Haager Straße. Ganz fertig ist es noch nicht: Der Platz um das Werk herum muss noch gestaltet werden.

Elegant überspannt das Kunstwerk "Jetzt" die Haager Straße. Ganz fertig ist es noch nicht: Der Platz um das Werk herum muss noch gestaltet werden.

(Foto: Renate Schmidt)

Zumindest fahren die Autos nicht mehr so schnell: Das neue Kunstwerk "Jetzt" an der Haager Straße sorgt für ganz unterschiedliche Reaktionen bei den Erdingern. Kunstler Robert Kessler freut sich darüber, findet aber auch klare Worte zu "abwertenden Kommentaren"

Von Mathias Weber, Erding

Es ist Ferienzeit, und das merkt man in Erding nicht nur daran, dass die Bürgersteige und Straßen leerer sind als sonst, auch an einer kleinen Baustelle an der Haager Straße sieht man das. Dort, gleich an der Sempt, ist vergangene Woche das Kunst werk "Jetzt" aufgestellt worden, ein sechs Meter hoher, filigraner Bogen aus Edelstahl, der die Haager Straße überspannt. Seitdem das Werk aber steht, hat sich nichts getan: Der kleine Platz an der Sempt-Brücke sollte eigentlich auch neu gestaltet werden, mit zweifarbigem Pflaster und einer Bank zum Ausruhen, und auch der Strom muss noch angeschlossen werden, damit der Bogen in der Nacht leicht leuchten kann; aber es dauert, die Baufirma ist in den Ferien, die letzten Arbeiten verzögern sich. Nächsten Montag soll es offenbar losgehen.

Die Verzögerung hält die Erdinger allerdings nicht davon ab, sich das neueste Kunstwerk im öffentlichen Raum genau anzusehen. Immer wieder bleiben Passanten stehen und schauen sich den Bogen an, manche pilgern regelrecht hinaus in die Haager Vorstadt, um sich selbst ein Bild zu machen, wie die Nachbarn des neuen Kunstwerks beobachten.

Die Meinungen über das Werk, so zeigt eine kleine Umfrage bei Passanten und Anwohnern an der Sempt, sind durchaus gemischt. Manch ein Anwohner freut sich über das Kunstwerk, findet es gelungen und würden sich noch viel mehr zeitgenössische Kunst in Erding wünschen. Andere sind weniger begeistert, halten es für überflüssig und einfach nicht sehr schön. So heißt es zum Beispiel aus dem Fotostudio Mohr an der Semptbrücke: Die große Mehrheit der Menschen, die in das Geschäft kämen, seien dem Werk gegenüber negativ eingestellt. "So sind sie Erdinger eben, richtige Grantler", heißt es, sie würden immer etwas finden, das ihnen nicht passt. Ist der eine Nachbar vielleicht einer von ihnen? Er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, aber sein Meinung will er schon loswerden: "Das Ding" gefalle ihm eigentlich ganz gut, sagt er. Er rechne aber jetzt schon mit betrunkenen Vandalen in der Nacht, die gegen den Bogen hauen, und ihn so wie eine Stimmgabel zum Schwingen bringen könnten. Dass es zu solchen Lärmbelästigungen kommen könnte, das glaubt der Künstler Robert Kessler, der den Bogen entworfen hat, nicht. Er kann die Befürchtungen aber nachvollziehen: "Die Anwohner haben berechtigte Angst, dass sie in ihrem Leben gestört werden."

Aber auch überraschende, ganz positive Aspekte haben die Anwohner schon bemerkt: So soll der Durchgangsverkehr sehr viel langsamer geworden sein, seitdem der Bogen steht. Die Autofahrer würden wohl derzeit noch den Blick nach oben wagen, wenn sie unter dem neuen Tor durchfahren.

Kessler selbst hat bisher noch keine Rückmeldungen zu seinem Kunstwerk in der Haager Straße erhalten. Der Künstler lebt und arbeitet in Aschaffenburg, weit weg also von den mitunter kontroversen Diskussionen, die hier derzeit wegen der Kunst im öffentlichen Raum laufen. Er ist aber gut befreundet mit dem Erdinger Künstler Harry Seeholzer, von dem er immer wieder informiert wird, welche Kontroversen dessen Werke - die umstrittenen "Tore" auf den Kreiseln in Erding West - auslösen. Natürlich freut sich Kessler, wenn über Kunst diskutiert wird: "Jeder Künstler muss sich auch mit kritischen Kommentaren auseinandersetzen", sagt er. Manche Kritiker aber würden "abwertende Kommentare benutzen, um ihren Lebensunmut kund zu tun." Lieber ist es dem Künstler, wenn die Menschen durch die Kunst etwas für ihr eigenes Leben herausholen, wenn sie sich hinsetzen, das Werk wirken lassen, vielleicht über das eigene Leben nachdenken. "Wenn das dabei raus kommt, dann ist ein Kunstwerk gelungen", sagt Kessler.

Im September soll das bis zu 150 000 Euro teure Werk eingeweiht werden, bis dahin ist dann hoffentlich auch der Platz gestaltet und die Beleuchtung in Betrieb. Bis dahin wird Kessler wohl nicht mehr nach Erding kommen, seine Arbeit ist getan. In Gedanken ist er schon bei neuen Aufträgen, die ihn in Zukunft beschäftigen. Für die Stadt Aschaffenburg wird er zum Beispiel ein Werk erschaffen, das in seinen Ausmaßen sogar größer als das "Jetzt" sein wird. Sein Standort: Ein Kreisel.

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