Helfer im Warteraum Asyl:"Und dann musste ich auch wirklich raus"

Warteraum Erding

Lernen, auch mal Nein zu sagen: Günther Geiger vom DRK instruiert ehrenamtliche Flüchtlingshelfer im Warteraum Asyl.

(Foto: Renate Schmidt)

Flüchtlingen helfen zu können, macht glücklich, sagen viele Ehrenamtliche. Flüchtlingen zu helfen, ist auch eine Belastung, sagen die Sanitäter im Warteraum Asyl. Eine erste Gruppe fährt jetzt zur Supervision nach München

Von Sebastian Fischer, Erding

Als Katharina Stricker am Samstag den Warteraum Asyl verließ, hat sie erst mal geweint. Einmal in der Woche hilft die Mutter von zwei Söhnen bei der Flüchtlingshilfe Erding mit, bislang hat sie im Lager Kleidung sortiert und am Samstag zum ersten Mal an die Flüchtlinge verteilt. Feste Schuhe für Kinder in Sandalen, warme Winterjacken für frierende Frauen und Männer, zwei Stunden lang. Dann war ihre Schicht vorbei "und dann musste ich auch wirklich raus", sagt Stricker, 40. Flüchtlingen helfen zu können, macht glücklich, sagen viele Ehrenamtliche. Doch Flüchtlingen zu helfen, ist auch eine Belastung, sagen die Sanitäter vom Roten Kreuz im Camp und sagt auch der Chefarzt Victor Asamoah. Eine Belastung, die man nicht unterschätzen dürfe. Das hat auch die Flüchtlingshilfe Erding erkannt - und bietet ihren Helfern Hilfe an.

Christina Hundhamer ist eine der Vorsitzenden der Flüchtlingshilfe. Es sei ihr Anliegen als Sozialarbeiterin, auch auf die Helfer zu achten, sagt sie. Am Donnerstag fährt sie mit der ersten Gruppe von sechs Helfern nach München zur Supervision. Die Beraterin Véronique Hartmann-Alvera bietet dies, eine Art Coaching und die Möglichkeit zur Reflektion, den Erdingern kostenlos an. Sie wollte sich auch irgendwie in der Flüchtlingshilfe einbringen, sagt sie: "Die Erfahrungen können einen ja mitnehmen. Es hilft, das in der Gruppe anzusprechen." Hundhammer geht es auch darum, dass keine Spannungen entstehen und die Gruppe handlungsfähig bleibt.

Die Arbeit im Camp am Fliegerhorst ist noch einmal anders herausfordernd als in gewöhnlichen Einrichtungen, weil die Asylsuchenden hier nur kurz verweilen sollen, und in hoher Anzahl täglich die nächsten ankommen. Das erfordert, mit Ressourcen auch mal sparsam umzugehen, oder wie Hundhammer sagt: "Man muss auch mal Nein sagen können, und das können manche besser als andere." Ähnlich wie die Ärzte im Warteraum oft in Sekunden Entscheidungen treffen und Kompromisse eingehen müssen - hier behandeln oder am nächsten Morgen in eine Erstaufnahmeeinrichtung weiterreisen lassen - müssen auch die Helfer ständig abwägen. In der Praxis: Wenn etwa die Jacke eines Flüchtlings dreckig ist, aber immer noch warm hält, muss ein Helfer überlegen, ober die Jacke ausgibt oder für den nächsten bereit hält, der vielleicht gar keine anhat. "Alle brauchen natürlich etwas", sagt Katharina Stricker: "Aber man kann nicht allen gerecht werden." Gerade medizinische Probleme, die nicht unmittelbar behandelt werden können, stoßen bei Flüchtlingshelfern manchmal auf Unverständnis, sagt Chefarzt Asamoah.

Kaum ein Flüchtling fühle sich letztendlich ungerecht behandelt, sagt eine andere Helferin, Verena Trinker, 30. Schwer fällt es natürlich trotzdem, Nein zu sagen. Trinker ist seit Donnerstag täglich nach Feierabend im Camp. "Es ist toll, weil man helfen kann, dass es Menschen besser geht", sagt sie: "Aber es ist auch schrecklich, weil man sieht, wie schlecht es vielen geht."

Noch ist der Warteraum nicht ausgelastet, noch sind die Abläufe ruhig und die Helfer machen den Eindruck, dass sie vor allem motiviert und noch nicht an ihrer Belastungsgrenze angelangt sind. Das Schichtsystem der Flüchtlingshilfe funktioniert ordentlich. Dass sich die Helfer helfen lassen, scheint dennoch sinnvoll. Auch die Sanitäter vom Roten Kreuz und die "Helfenden Hände" der Bundeswehr nehmen das in Anspruch: Für die Soldaten in Erding, Dornach, Feldkirchen und Freilassing sind ständig Psychologen in Rufbereitschaft, alle zwei Wochen sind sie im Camp. Für die DRK-Sanitäter in Erding ist ein Vertrauensarzt in der Region zuständig.

Katharina Stricker kann am Donnerstag übrigens nicht mit nach München zur Supervision kommen, am Samstag ist sie trotzdem wieder im Camp. Na klar, sagt sie: Spätestens als sie am vergangenen Samstag nach Hause kam und die Meldungen von Hetze gegen Flüchtlinge im Fernsehen sah. Stricker sagt: "Die Hetzer müssten nur einmal da oben am Fliegerhorst sein. Dann gäbe es keine Hetze mehr."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: