Flüchtlingskinder:Überschaubare Herausforderung

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"Integration ermöglichen": Die Grundschulen im Landkreis haben kein Problem damit, Flüchtlingskinder aufzunehmen. Die Rektoren bereiten sich aber darauf vor, bald mehr Kinder versorgen zu müssen

Von Mathias Weber, Erding

Manchmal, da geht Barbara Schock das Herz auf. Wenn sich die Kinder zum Beispiel wahnsinnig über ihre neuen Schulranzen freuen, die doch eigentlich schon alt sind, weil sie gespendet wurden. Oder wenn die Neuen ganz vorsichtig mit ihren Bleistiften schreiben, weil sie Angst haben, dass die Spitze abbrechen könnte und sich der Bleistift dann zu schnell abnutzt. Von deutschen Kindern kenne man so etwas gar nicht, sagt Schock, die dann daran denken muss, wie gut es die Grundschüler in Altenerding eigentlich haben.

Barbara Schock ist die Rektorin der Altenerdinger Grundschule, die derzeit drei Kinder aus Familien besuchen, die in der Altenerdinger Flüchtlingsunterkunft untergekommen sind. Keine 50 Meter sind es von der Containeranlage an der Langen Feldstraße bis zur Grundschule; ein verrückt kurzer Weg für Kinder aus den Krisengebieten dieser Welt, der ihnen jetzt, hier im Landkreis Erding, eine Ausbildung auf deutschem Niveau ermöglichen soll. Für Schock ist das selbstverständlich: "Die Kinder haben ein Recht darauf, nett empfangen zu werden", sagt sie. "Wer kommt, ist herzlich willkommen." Derzeit zumindest noch. Denn die Zahl der schulpflichtigen Flüchtlingskindern an den Grundschulen im Landkreis Erding ist überschaubar. Im Oktober 2015 sind es genau 30 Kinder aus Flüchtlingsfamilien, die eine Grundschule besuchen. Zum Vergleich: Insgesamt gehen im Landkreis knapp 1300 Kinder in die Grundschule. Die meisten der Flüchtlingskinder gehen dort zur Schule, wo auch viele Flüchtlinge aufgenommen werden. In Erding sind es fünf Kinder, in Dorfen neun, in Wartenberg vier, in einigen anderen Grundschulen meistens nicht mehr als zwei Kinder oder nur ein einziges. Noch, so heißt es vom Erdinger Schulamt, werden die Kinder nach dem jeweiligen Schulsprengel zugeteilt. Also die Grundschule, die der Unterkunft am nächsten liegt, nimmt die Kinder auf. Noch geht das ganz gut so.

Noch stehen genug Mittel zur Verfügung, um die Flüchtlingskinder angemessen zu versorgen. Das bestätigen nicht nur das Schulamt, sondern auch die Rektoren der Erdinger Grundschulen: Auch wenn man "ab und zu jonglieren" müsse, wie Rektorin Schock sagt, stelle das Schulamt genug Stunden zur Verfügung, damit die Kinder besonders gefördert werden können. Das Ziel: "Wir wollen ein gewisses Maß an Integration ermöglichen", sagt die Leiterin des Schulamtes, Marion Bauer. In den Schulen gibt es zum Beispiel spezielle Förderlehrkräfte, die mal mehr, mal weniger viele Stunden in der Woche unterrichtet; keine Überraschung ist, dass dann meistens Deutsch auf dem Stundenplan steht, an manchen Schulen gibt es spezielle Deutschförderklassen. Aber auch das ist nichts Neues: Kinder, die kein Deutsch sprechen, sind kein neues Phänomen an den Erdinger Grundschulen. "Mathe, Sport und Musik, das geht meistens gut. Deutsch und Heimat- und Sachunterricht ist meistens grausam", sagt Rektorin Schock, halb im Spaß.

Der Förderunterricht lässt sich also gut organisieren. Keine Schule bricht unter einem Ansturm von Flüchtlingskindern zusammen - den es ja auch gar nicht gibt. Doch die Rektoren denken an die Zukunft, und da kann es nicht schaden, schon jetzt mehr Personal anzufordern. Thomas Emrich, der die Grundschule am Mühlanger in Dorfen leitet, geht davon aus, dass auch seine Schule bald Flüchtlingskinder unterrichten muss. "Personell müssen wir dementsprechend ausgestattet werden", sagt Emrich.

Er ist froh, dass die Kompetenzen in der Frage der Einschulung von Flüchtlingskindern mittlerweile geklärt sind. Das sei doch bislang ein "ziemliches Durcheinander" gewesen, sagt er. Marion Bauer vom Erdinger Schulamt stimmt ihm zu, wenn auch mit einer vorsichtigeren Wortwahl. Lange war dem Schulamt gar nicht klar, welche Kinder wo eingeschult werden. Denn das Sozialamt am Landratsamt kümmert sich in erster Linie um die Flüchtlinge. Vergangene Woche gab es ein klärendes Gespräch zwischen den beiden Behörden. Nun hat sich Schulamtsleiterin Bauer die aktuellen Zahlen geben lassen und den Überblick. Bei ihr sollen künftig alle Informationen zusammenlaufen - und auch die ganz grundlegende Frage, ab wann die Kinder eigentlich die Grundschule besuchen dürfen (siehe Kasten).

Alles in allem scheinen die bisher 30 neuen Kinder die Erdinger Grundschulen noch vor keine großen Problem zu stellen. Auch zwischenmenschlich klappt es: Den Erdinger Kindern sei es sowieso egal, wer da mit ihnen in der Klasse sitzt, sagten die Grundschulrektoren. Auch für die Lehrer sei es auch keine neue Situation, dass Kinder in ihre Klassen kommen, die besonders viel Aufmerksamkeit bräuchten. Und wie reagieren die Eltern? Gerade in Altenerding eine delikate Frage, war es doch dort, dass es zum einzigen Mal einen, wenn auch sehr kurzen Protest gegen eine Flüchtlingsunterkunft gegeben hat; ein Flugblatt machte die Runde, auf dem vor der neuen Unterkunft gewarnt wurde.

Rektorin Schock, sagt sie merke nichts von einer fremdenfeindlichen Einstellung, auch nicht bei den Eltern. Über die Flugblattaktion muss sie fast lachen: "Wenn das eines gebracht hat, dann, dass die Hilfsbereitschaft noch größer geworden ist."

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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