"Kein Talent darf verloren gehen." Das ist ein Motto, das der Landkreis auf dem Weg zur staatlich anerkannten "Bildungsregion" verwirklichen will. Eine Arbeitsgruppe soll Konzepte entwickeln, wie man junge Menschen in besonderen Krisen auffangen oder sozial benachteiligte junge Menschen für die Zukunft stärken kann. Leiter dieser Arbeitsgruppe ist Peter Stadick, der Chef des Erdinger Jugendamts. Seine Behörde hat in den vergangenen Wochen Flüchtlingen, deren Kinder die Mittagsbetreuung in den Grundschulen am Lodererplatz und am Grünen Markt besuchen, mitgeteilt, dass damit bald Schluss sein müsse. Es sei beabsichtigt, die Kosten der Mittagsbetreuung nicht länger zu übernehmen.
Bislang hat der Landkreis die Mittagsbetreuung von Flüchtlingskindern bezahlt. Aktuell besuchen am Lodererplatz und am Grünen Markt je vier Kinder bis 16 Uhr die Mittagsbetreuung. Sie essen dort gemeinsam zu Mittag, spielen, basteln, malen und machen ihre Hausaufgaben. Träger der Mittagsbetreuung ist die Stadt Erding, die pro Woche 25 Euro verlangt.
Die Erdingerin Beate Marx-Götz kümmert sich als ehrenamtliche Flüchtlingshelferin intensiv um einen Neunjährigen, der die Mittagsbetreuung in der Grundschule am Lodererplatz seit mehr als einem Jahr besucht. Als der Bub in Erding eingeschult wurde, sprach er kein Wort Deutsch. Traumatisiert durch schreckliche Erlebnisse in seiner vom Bürgerkrieg heimgesuchten Heimat und die Flucht nach Deutschland, litt er zunächst an starken Sprechstörungen und fiel in der Schule durch aggressives Verhalten auf. "Das alles ist auch durch die Mittagsbetreuung viel besser geworden", sagt die frühere Realschullehrerin Marx-Götz. Der Bub sei mittlerweile "ein ganz selbstverständliches Mitglied in seiner Gruppe" und "sehr gut integriert". Ihr Schützling gehe so gerne in die Mittagsbetreuung, dass er am liebsten noch länger als bis 16 Uhr bleiben würde.
Barbara Wolff und Monika Eder, die Rektorinnen der Grundschulen am Lodererplatz und am Grünen Markt, sehen die Mittagsbetreuung für Flüchtlingskinder als mindestens ebenso wichtig an wie den eigentlichen Schulbesuch. "Kinder lernen eine Sprache durch sprechen", sagt Eder. Zudem bräuchten Kinder "einen Sinn für Kommunikation". Den gebe es nach Schulschluss beim gemeinsamen Essen und Spielen automatisch. "Das ist ein ganz wichtiger Faktor." Neben dem "spielerischen Spracherwerb", werde auch die Integration in den Kreis ihrer Schulkameraden durch die Mittagsbetreuung geleistet, betont Wolff, "aus pädagogischer Sicht ist das sehr, sehr wichtig". Und nicht zuletzt werden in der Mittagsbetreuung auch die Hausaufgaben gemacht. Die Flüchtlingskinder, deren Eltern meist kaum Deutsch sprechen, können hier von anderen Kindern und den Betreuerinnen profitieren.
Im Jugendamt sieht man jedoch vor allem Gesetzesparagrafen, die die Kostenübernahme für die Mittagsbetreuung unmöglich machten. In einem Schreiben an eine betroffene Familie, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, werden mehrere bürokratische Hemmnisse genannt. Zum einen sei eine Mittagsbetreuung keine offizielle "Tageseinrichtung". Das heißt offenbar, wenn die Kinder in einem Hort wären, könnte das vom Amt bezahlt werden. Zum anderen scheide "die Übernahme der Kosten im Rahmen der Hilfe zur Erziehung" aus, "da kein erzieherischer Bedarf besteht". Die "Lernförderung" sei eine Aufgabe der Schule. Das Jugendamt schreibt weiter, nur wenn die Eltern durch den Besuch eines Deutschkurses verhindert wären, könnten die Kosten für die Mittagsbetreuung übernommen werden. Die Deutschkurse für Asylbewerber haben noch nicht begonnen.
Die Rektorinnen Eder und Wolff hoffen nun auf Hilfe von Oberbürgermeister Max Gotz (CSU), der zugleich stellvertretender Landrat ist. "Gerade in solchen Fällen habe ich den OB immer als sehr konstruktiv und kreativ erlebt", sagt Eder.