Jobcenter Erding nach Messerattacke:Sicherheit geht vor

Jobcenter Erding nach Messerattacke: Taschen leeren, Gürtel ausziehen: Der Eingangsbereich des Erdinger Amtsgerichts erinnert an die Security am Flughafen.

Taschen leeren, Gürtel ausziehen: Der Eingangsbereich des Erdinger Amtsgerichts erinnert an die Security am Flughafen.

(Foto: Peter Bauersachs)

"Das Gefahrenpotenzial hat sich immer weiter erhöht": Das Erdinger Jobcenter will nach einer Messerattacke in die Sicherheit der Mitarbeiter investieren - und ist nicht die erste öffentliche Einrichtung, die sich dazu gezwungen sieht.

Von Mathias Weber, Erding

Wer es sich vornimmt, der schafft es auch. Weder im Landratsamt am Alois-Schießl-Platz noch im Erdinger Rathaus am Schrannenplatz gibt es für Besucher unüberbrückbare Hindernisse, bis sie in die Vorzimmer von Landrat oder Oberbürgermeister kommen. Keine Schleuse, kein Sicherheitspersonal, erst in den Vorzimmern würden unangekündigte - und vielleicht auch unerwünschte - Besucher zum ersten Mal auf Mitarbeiter treffen. Wer es also darauf anlegt, der hat es nicht nur im Landratsamt und im Rathaus, sondern auch in den meisten anderen öffentlichen Einrichtungen in Erding leicht, weit zu kommen.

Der Vorfall im Erdinger Jobcenter Aruso in der Otto-Hahn-Straße am vergangenen Freitag hat wieder ins Gedächtnis gerufen, dass Orte, in denen öffentlicher Verkehr herrscht, verwundbar sind. Vor fast einer Woche hatte sich ein 27-jähriger Mann, der Kunde des Jobcenters war, Zugang zum Büro seiner Sachbearbeiterin verschafft. Dort zückte er ein Messer und fuchtelte damit herum. Als ein Teamleiter hinzu kam und beruhigend auf den Mann einredete, haute der ab. Wenig später griffen ihn Polizisten auf, nun ist er im Taufkirchener Bezirksklinikum untergebracht. Es war keine schöne Erfahrung für die 41 Mitarbeiter des Jobcenters, die dazu führt, dass man sich dort wieder mehr Gedanken über Sicherheitsvorkehrungen macht. Die gäbe es zwar jetzt schon, wie Monja Rohwer, Leiterin des Jobcenters, sagt - so könnten die Mitarbeiter einen Notrufknopf drücken, wenn es zu einer brenzligen Situation kommt, auch Deeskalierungsseminare würden angeboten. Nun wurde aber auch ein Sicherheitsdienst engagiert, ein Mann steht im Eingangsbereich Wache. "Das verstärkt das Sicherheitsgefühl der Mitarbeiter enorm", sagt Rohwer. Nun soll es auch zu baulichen Veränderungen kommen, die es Besuchern erst einmal unmöglich machen sollen, einfach so in den Mitarbeiterbereich zu stürmen - so wie es der junge Mann am vergangenen Freitag getan hatte. Einen Schritt weiter ist da schon das Erdinger Amtsgericht. Dort gibt es seit einigen Jahren eine Einlasskontrolle, ähnlich wie am Flughafen. Beamte des Justizvollzugsdienstes teilten sich die Aufgabe mit einem privaten Sicherheitsdienst, sagt Stefan Priller. Er ist Richter am Amtsgericht. Nicht nur müssen alle Besucher durch einen Metalldetektor, sie werden im Bedarfsfall auch abgetastet. Gefährliche Gegenstände würden abgenommen, und das, sagt Priller, komme gar nicht einmal selten vor: "Klappmesser und Pfeffersprays sind zum Beispiel an der Tagesordnung." Zuletzt wurden zwei Besuchern sogar Springmesser abgenommen, sie sind nach dem Waffengesetz verbotene Gegenstände. Auf die Besitzer kommt dementsprechend ein Ermittlungsverfahren zu. Eingeführt wurden diese Maßnahmen nach einem Attentat im Jahr 2012, als ein Mann einen Staatsanwalt während einer Gerichtsverhandlung in Dachau erschoss. Dass man die Sicherheitsschleuse jetzt wieder abschaffe, sagt Richter Priller, könne sich am Amtsgericht kein Mitarbeiter mehr vorstellen - sie gebe ihnen Sicherheit.

Priller selbst erinnert sich an einige kleinere Momente vor Gericht, als es zu außergewöhnlichen Situationen kam; als zum Beispiel plötzlich ein Mann in den Gerichtssaal stürmte. "Man darf nicht vergessen, dass wir es mit Leuten zu tun haben, die hoch emotional sind", sagt Priller, "bei denen es vor dem Familiengericht um sehr private Dinge geht, oder die vielleicht bestraft werden." Zum Teil gäbe es auch Besucher, die psychisch instabil seien. Ähnlich ist es am Arbeitsamt: "Wir haben es mit Menschen zu tun, die oft in einer schwierigen Lebenssituation sind. Es geht um ihre Existenzsicherung, Zeiten der Arbeitslosigkeit erleben viele Menschen als sehr belastend", heißt es aus der Freisinger Arbeitsagentur, die auch für den Landkreis Erding zuständig ist.

Doch nur eine kleiner Teil der öffentlichen Einrichtungen müssen grundsätzlich auf Sicherheitsvorkehrungen zurückgreifen - glücklicherweise. Dass es aber in Gerichten und Sozialämtern so weit kommen musste, darüber macht sich auch Richter Stefan Priller Gedanken. "Das Gefahrenpotenzial hat sich stetig erhöht", sagt er, "das wirft kein gutes Licht auf die Gesellschaft." Beim Dachauer Fall sei es auch nicht um eine Gefängnisstrafe gegangen, der Mörder hatte wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge vor Gericht gestanden. "Das war nichts dramatisches", sagt Priller, "aber viele sehen keinen anderen Ausweg - sie wollen ihre Forderungen mit Gewalt durchsetzten."

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