Erding:Schelte für Brüssels Bürokraten

Wenn Erding zur Großen Kreisstadt wird, ändert sich die Organisationsform der Freiwilligen Feuerwehren. Mancher sieht das Ehrenamt in Gefahr.

Wolfgang Schmidt

Mit welchen Auswirkungen die drei Freiwilligen Feuerwehren von Erding, Altenerding und Langengeisling rechnen müssen, wenn Erding zur Großen Kreisstadt wird - darüber informierte Kreisbrandrat Willi Vogl kompetent beim traditionellen CSU-Frühschoppen am gestrigen Sonntag. Gleichzeitig geriet das Treffen in kleinem Kreis auch zu einer Abrechnung mit den Bürokraten in Brüssel. Sie wollen mit einer entsprechenden neuen EU-Arbeitszeitrichtlinie die Wochenarbeitszeit europaweit auf maximal 48 Stunden begrenzen - ohne klare zu trennen zwischen Arbeitnehmern und Ehrenamtlichen.

Erding: An der Ausstattung der Freiwilligen Feuerwehr mit Fahrzeugen und technischem Gerät (unser Bild zeigt den Einsatz während einer Katastrophenübung) wird sich nicht viel ändern, denn die orientiert sich am sogenannten Gefährdungspotential der Stadt

An der Ausstattung der Freiwilligen Feuerwehr mit Fahrzeugen und technischem Gerät (unser Bild zeigt den Einsatz während einer Katastrophenübung) wird sich nicht viel ändern, denn die orientiert sich am sogenannten Gefährdungspotential der Stadt

(Foto: Peter Bauersachs)

Gastgeber Jakob Mittermeier, der Erdinger CSU-Fraktionsvorsitzende im Rathaus, konnte im Kreuzederwirt einen Referenten begrüßen, von dem "böse Zungen behaupten, er sei ein Dreirad." Schließlich ist Willi Vogl auch noch Stadt- und Kreisrat. Dann war aber vorübergehend erst einmal Schluss mit lustig - Mittermeier blies zur Attacke auf die Schreibtischtäter in Brüssel "oder sonst wo". Die sollten ihre Finger vom Ehrenamt lassen. Das fange bei der Feuerwehr an, betreffe aber auch die Rettungs- und Sanitätsdienste. Man dürfe sich die "bewährten Strukturen nicht kaputtmachen lassen."

Welche Auswirkungen eine Eindämmung des Ehrenamts haben könnte, machte Vogl am Beispiel einer Staffelbesetzung der Feuerwehr klar. Wenn die sechs Mann, die nötig sind, um mit einem Löschfahrzeug auszurücken, nach dem Tarif im öffentlichen Dienst bezahlt werden müssten, kämen Durchschnittskosten von einer Million Euro jährlich heraus. "Und mit sechs Mann kann man wahrlich nicht die Welt zerreißen", sagte Vogl - "für eine Kommune gibt es nicht Billigeres als das Ehrenamt". Für Mittermeier ist der wirtschaftliche Faktor das eine, ganz wichtig seien aber auch die ideellen Werte des Ehrenamts. Ohne die freiwilligen Helfer fehlten die Bindung an Vereine und Gemeinden.

Wenn Erding demnächst Große Kreisstadt wird, ändert sich zuvorderst der Titel: Der bisherige 1. Kommandant der Feuerwehr wird dann Steuerbrandinspektor heißen und sein Stellvertreter Steuerbrandmeister. Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass die federführenden Kommandant von der Abteilung gestellt wird, die über die bessere technische Ausrüstung verfügt - und da hätten die Erdinger die Nase vorn. Denkbar ist für Vogl aber auch, dass Erding und Altenerding ihre Technik zusammenlegen, die jeweiligen Vereine aber bestehen bleiben.

Dann könnten die Führungsspitze aus Abgesandten der beiden Feuerwehren gebildet werden. Vogl ist klar, dass es sich bei diesem Unterfangen um ein "durchaus emotionales Thema handelt", das intern auch schon diskutiert werde. In der Vergangenheit hatte die bloße Einteilung in eine Feuerwache I und eine Feuerwache II schon für einiges böses Blut gesorgt. Der Kreisbrandrat will kein Öl ins Feuer gießen und "niemand provozieren". Langengeisling schließlich könnte in der jetzigen Form bestehen bleiben.

Ein wichtiger Themenbereich wird sein, wie die dann große Kreisstadt in Zukunft mit den Brandschutzvorschriften umgehen will - wobei eine schnelle Baugenehmigung oberstes Ziel sein müsse. Hilfreich wäre deshalb eine Verkürzung der Dienstwege. Diese "Zukunftsaufgabe" hat sich Vogl schon vor zwei Jahren gestellt, denn die Menge der Eingaben "ist schon jetzt kaum zu bearbeiten."

An der Ausstattung der Feuerwehr wird sich nicht viel ändern, denn die orientiert sich am sogenannten Gefährdungspotential der Stadt. Zu nennen sind in dieser Hinsicht vor allem das Kreiskrankenhaus und natürlich die Therme. Dabei ist klar: Erding kann nicht jedes Szenario abdecken. Sollte es im Kreiskrankenhaus brennen, werden von Haus aus 25 Feuerwehren alarmiert. Und tritt bei der Therme der Schadensfall ein, rückt automatisch auch die Münchner Berufsfeuerwehr an. Vogls Fazit: "Man muss sich gegenseitig ergänzen, weil das System sonst nicht funktioniert." Die strikte Trennung nach Gemeindegrenzen existiert im modernen Feuerwehrwesen ohnehin schon länger nicht mehr. Kann sie auch gar nicht, denn für die Helfer gilt die Zehn-Minuten-Regel. Will heißen: Von der Alarmierung bis zum Löscheinsatz sollen nicht mehr als zehn Minuten vergehen.

Aus den Reihen des Frühschoppens kam die Anregung, diese Zehn-Minuten-Regelung als Argument für eine Untertunnelung am Altenerdinger S-Bahnhof zu nutzen. Denn bei geschlossener Schranke könne die Vorgabe mit Sicherheit nicht eingehalten werden. Vogl räumte ein Problem ein, obwohl er noch nie mit "der Stoppuhr dort gestanden" habe. Für Fälle wie diese sei aber die "Integrierte Leitstelle" geschaffen worden. Die alarmiere von selbst die Standorte, die am günstigsten zum Einsatzort lägen. "Das macht der Rechner automatisch." Auch Mittermeier warnte davor, sich von dieser Idee viel zu versprechen. Jeder wisse, sagte er, dass der Altenerdinger Stützpunkt ein Auslaufmodell ohne jede Erweiterungsmöglichkeit sei.

Und natürlich wird in einer Großen Kreisstadt auch intensiver um Nachwuchskräfte geworben werden - wobei es Vogl hier mit dem Begriff nicht so ganz genau nehmen will. Willkommen seien durchaus auch die Interessenten, die schon Mitzwanziger oder leicht älter sind. Der Kreisbrandrat weiß: "Die Feuerwehr ist um jeden froh - und die Gemeinde auch."

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