Erding:"Schaut euch die Menschen erst einmal an"

Erding: Wartenberger Bürgermeister Manfred Ranft sieht keinen Grund, warum die Integration der Flüchtlinge nicht gemeistert werden sollte.

Wartenberger Bürgermeister Manfred Ranft sieht keinen Grund, warum die Integration der Flüchtlinge nicht gemeistert werden sollte.

(Foto: Renate Schmidt)

Wartenbergs Bürgermeister Manfred Ranft rät im SZ-Interview seinen Mitbürgern, mit dem Flüchtlingsthema unaufgeregter umzugehen, als es derzeit der Fall ist. Und er verrät, warum er große Begrüßungsfeste für Brimborium hält

interview Von Wolfgang Schmidt

In Wartenberg wabert die Gerüchteküche. Es heißt, ein Hauseigentümer habe seinen Altmietern jeweils 15 000 Euro geboten, damit er seine Wohnungen zur Unterbringung von Asylbewerbern teuer an das Erdinger Landratsamt vermieten könne, was dieser zurückweist. Um die Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen wieder zu versachlichen, sprach die SZ mit dem Wartenberger Bürgermeister Manfred Ranft.

Die Geschichte mit den 15 000 Euro ist bestimmt auch schon zu Ihnen durchgedrungen?

Manfred Ranft: Dass das Landratsamt dort Wohnungen anmieten konnte, deckt sich auch mit meinen Informationen. Dass ein gewisser Betrag gezahlt werden sollte, damit die alten Mieter ausziehen, ist auch zu mir vorgedrungen, aber nicht in dezidierten Beträgen. Ich verstehe ehrlich gesagt aber die Gerüchte nicht, es würden dort nur männliche Flüchtlinge untergebracht. Ich sage immer, Leute schaut euch doch die Menschen erst einmal an. Wenn heute das Nachbarhaus neben Ihnen frei wird, dann wissen Sie ja auch nicht, wer später dort einzieht. Das sind Leute wie du und ich - nur mit einer anderen Hautfarbe vielleicht, einer anderen Religion, einer anderen Kultur.

Wie viele Flüchtlinge gibt es denn schon in Wartenberg?

Nach meiner Information sind es 38 Personen. 80 könnten es werden. Und dazu kommen noch die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die das Josefsheim nimmt. Dort soll es zwei Gruppen mit je neun Jugendlichen geben. Allerdings haben sie bisher nur Betreuer für sechs Personen gefunden. Die haben die Räume für die zwei Gruppen, aber noch nicht das Personal. Erzieher sind Mangelware.

Wie läuft der Informationsfluss zwischen Landratsamt und Gemeinde?

Das klappt super. Wir sind als Gemeinde eigentlich nicht gefordert. Das ist ja das Schöne, dass wir nur bei der Wohnungssuche Hilfestellung leisten müssen. Um die Belegung, die Möblierung - um all das kümmert sich das Landratsamt. Das Landratsamt schickt Hausmeister und Sozialarbeiter - und unser Wartenberger Helferkreis tut ein Übriges dazu. Ich mache mir über das Gelingen da gar keinen Kopf.

Landrat Martin Bayerstorfer wollte einen festen Ansprechpartner in jeder Gemeinde haben.

Den haben wir. In Wartenberg ist es Carla Marx, die Sprecherin des Helferkreises.

Nach einem Vierteljahr sind die Kinder der Flüchtlinge schulpflichtig. Wird das ein Problem?

Nein. Wenn bei den Familien überall ein paar Kinder dabei sind, wird das den Rahmen nicht sprengen. Wir haben in der Grundschule relativ kleine Klassen und in der Mittelschule ist die Unterbringung sowieso kein Thema. Ich habe auch vom Schulleiter nicht gehört, dass er sich da Gedanken machen muss.

Wie geht man mit Sprachbarrieren um?

Kinder lernen relativ schnell. Je kleiner sie sind, umso besser. Und im Kindergarten haben wir auch noch Platz.

Welche Integrationsmöglichkeiten kann man den Flüchtlingen bieten?

Lasst die Asylbewerber doch erst einmal hier sein. Kommen Erwachsene, kommen Alte, kommen Junge, kommen Muslime, kommen Katholiken. Einen Muslim wird man nicht in die katholische Kirche jagen. Natürlich wollen sich die evangelische und katholische Kirche auch um ihn kümmern. Aber es wird ein anderes Angebot sein müssen als für einen syrischen Christen. Die Vereine stehen bei Fuß. Flüchtlinge können ohne Mitgliedsbeitrag an allen Angeboten teilnehmen. Das ist gewiss. Ansonsten setze ich auf individuelle Hilfe. Der Helferkreis sagt, was er braucht, und wir schauen, dass wir es herbringen.

Gibt es eine Idee, ob die Flüchtlinge hier auch arbeiten könnten - als Ein-Euro-Jobber etwa?

Das ist möglich. 1,05 Euro kann man, glaube ich, für gewisse Arbeiten mit einer Genehmigung vom Landratsamt zahlen. Ich habe aber hier noch von keinem konkreten Arbeitswunsch gehört. Wenn Arbeitswillige da sind, würde ich mich auch vermittelnd einschalten.

Nehmen wir einmal an, die 80 Flüchtlinge, die Wartenberg aufnehmen muss, sind jetzt da. Gibt es dann ein großes Begrüßungsfest?

Ehrlich gesagt, ich halte von dem ganzen Brimborium nicht so viel. Das sind normale Leute, die aber an einem schweren Schicksal zu tragen haben. Denen tut man den größten Gefallen damit, wenn man sie normal behandelt. Ich möchte auch nicht diesen Sozialneid, der hier und da entsteht, noch weiter schüren. Stellen Sie sich vor, ich gehe mit einem Arm voller Geschenke zu einem Flüchtlingstreff. Warum ist er denn zu mir nicht gekommen, heißt es dann. Ich mache auch keine großen Veranstaltungen mit Ankündigung.

Auch nicht für die direkten Nachbarn?

Es hieß immer, halte doch eine Veranstaltung für die Leute in der Badstraße ab. Was soll ich denen denn sagen? Dass Asylbewerber kommen? Das wissen sie doch schon. Kommen lauter junge Männer? Das weiß ich nicht, ich glaube es aber nicht. Das Landratsamt schaut schon darauf, in Wohnungen Familien mit kleinen Kindern unterzubringen. Es ist doch auch für das Landratsamt nicht alltäglich, so viele einzelne Wohnungen wie hier in Wartenberg anmieten zu können.

Hat dazu der Aufruf im Gemeindeblatt etwas beitragen können?

Das weiß ich nicht so genau. Es haben sich aber einige beim Landratsamt gemeldet. Schauen Sie sich doch das Angebot an. Herzog-Ferdinand-Straße, Eichenstraße, Untere Hauptstraße, Moosburger Straße - irgendwo müssen die Leute die Information ja hergehabt haben. Wer bereit ist, eine Wohnung an Flüchtlinge zu vermieten, der sollte das tun. Wir brauchen die Unterkünfte ja. Und die Nachbarn müssen das aushalten. Der Umkehrschluss wäre, dass uns das Landratsamt per Bus irgendwann 30 Leute schickt. Und was mach ich dann? Dann muss ich die Strogenhalle belegen. Wie groß ist dann erst der Lärm, wenn es keinen Schulsport mehr gibt, keinen Vereinssport, Veranstaltungen der Kreismusikschule, der Volkshochschule - all das gibt es dann nicht mehr. Da möchte ich das Geschrei hören, da finde ich es doch besser, wenn die Flüchtlinge kleinteilig untergebracht sind. In der Unteren Hauptstraße habe ich von einer Nachbarin gehört, die die Flüchtlinge schon vereinnahmt und in ihr Herz geschlossen hat. Die Frau zeigt ihnen, wo es lang geht. So läuft Integration. Es ist meine Philosophie, so unaufgeregt wie möglich mit dem Thema umzugehen. Das ist für jede Seite das Beste.

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