Erding:Rolle rückwärts bei der Energiewende

Erding: Die Zukunftsaussichten für die Betreiber von Biogasanlage sehen aktuell alles andere als glänzend aus.

Die Zukunftsaussichten für die Betreiber von Biogasanlage sehen aktuell alles andere als glänzend aus.

(Foto: Peter Bauersachs)

Weil die Biogasförderung ausläuft, müssen Anlagen im Landkreis aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt werden. Nach 20 Jahren ist für viele Schluss - wenn die Politik nicht ein Anschlussprogramm findet

Von Florian Tempel, Erding

Zum Beispiel Dorfen. Dort hatte Karl-Heinz Figl, Chef der Stadtwerke, bislang Jahr für Jahr eine neue Steigerung der Ökostromquote und zuletzt sogar den Vollzug zu vermelden: "Wir haben die Energiewende mengenmäßig vollzogen." Genau so viel Strom, wie in Dorfen 2014 verbraucht worden war, wurde aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt. Unwillkürlich dachte man: Super, 100 Prozent erreicht, wir haben es in Dorfen geschafft, das kann uns keiner mehr nehmen. Tatsächlich ist aber etwas ganz anderes zu erwarten: In wenigen Jahren muss Figl voraussichtlich melden, dass die Ökostromquote wieder sinkt - weil die Biogasförderung ausläuft und Anlagen dann stillgelegt werden.

Die elf Biogasanlagen, die in das Netz der Stadtwerke einspeisen, tragen den größten Teil zur aktuell gelungenen Dorfener Energiewende bei. Sie liefern zwei Drittel des grünen Stroms. Ihre Bedeutung ist aber nicht nur der Quantität nach so groß, sondern auch in qualitativer Hinsicht. Biogas ist neben Wasserkraft die einzige grundlastfähige erneuerbare Energie. Strom aus Biogasanlagen gibt es grundsätzlich immer.

Für die Politik liegt genau hierin ein Problem. Bislang sah das Konzept, Strom aus Biogas zu produzieren, vor, dass die Anlagen rund um die Uhr laufen, an sieben Tagen in der Woche, von Neujahr bis Silvester. Das war es, was Biogas für viele Landwirte so interessant gemacht hat. Denn für jede Kilowattstunde bekommen sie 20 Jahre lang einen festen Preis. Damit konnten sie sehr solide rechnen. Dem Staat wurde der Boom bei Biogas aber allmählich zu viel. Die Förderung wurde gestrichen, seit eineinhalb Jahren wurden kaum noch neue Anlagen gebaut.

Die garantierte Vergütung schwankt je nach Biogasanlage zwischen zehn und 26 Cent pro Kilowattstunde. Wenn von 2021 an die Verträge auslaufen, werden die Anlagenbetreiber - das ist Stand der Dinge - nur noch den deutschen Marktpreis für ihren Strom erhalten. Der liegt aktuell bei etwa drei Cent. Das wäre viel zu wenig, um weiterhin eine Biogasanlage wirtschaftlich betreiben zu können. Wenn das die Zukunft ist, dann wird nach und nach jede Anlage abgeschaltet.

Der Erdinger Martin Barth, Sprecher des Fachverbands Biogas für Oberbayern, rechnet damit, dass einige Biogasanlagebetreiber nicht erst aufhören, wenn ihre garantierten Einspeisevergütungen auslaufen. An einer Biogasanlage, die im Dauerbetrieb läuft, müssen immer wieder teure Teile ausgetauscht werden. Wer aber jetzt 100 000 Euro in seine Anlage investieren müsse, werde sich das zweimal überlegen, sagt Barth. Womöglich werde der Betreiber kühl rechnend zu dem Schluss kommen, dass die Investition nicht lohnt, und seine Anlage deswegen schon vor dem Ende seines 20-Jahres-Vertrags aufgeben.

Barth bliebt dennoch "verhalten zuversichtlich". Er hofft, dass die Politik ein Anschlussprogramm finden wird, das anders als bisher gestrickt ist. Ein Ansatz ist die sogenannte Flexibilisierung. Biogasanlagen sollen nicht mehr durchlaufend Strom produzieren, sondern dann, wenn er gebraucht wird. Ungefähr so: Wenn die Sonne scheint und Fotovoltaik Strom liefert, geht die Biogasanlage vom Netz, nach Sonnenuntergang fährt sie hoch. Für diese Flexibilität sollen die Betreiber so viel Geld bekommen, dass sich die Stromproduktion durch Biogas langfristig lohnt.

Der Dorfener Günther Drobilitsch baut seine Anlage gerade zu einer flexiblen Anlage um. Bislang als einer von wenigen, denn so eine Umstellung kostet eine Menge Geld. Viele seiner Kollegen hätten sich deshalb längst damit abgefunden, dass sie ihre Biogasanlagen in wenigen Jahren stilllegen, sagt Drobilitsch: "Die sagen sich, für mich war's das, nach 20 Jahren ist eben Schluss."

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