Klinikum Erding:Problemfall Notaufnahme

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Sieben Tage in der Woche und rund um die Uhr ist die Notaufnahme im Klinikum Erding geöffnet. Der Bedarf an Ärzten und Pflegern ist entsprechend groß. (Foto: Renate Schmidt)

Im April wurde der ärztliche Leiter der zentralen Anlaufstelle im Klinikum Erding mit großem Bohei eingeführt. Er sollte die Einheit neu organisieren. Nach nur drei Monaten gab er frustriert auf

Von Florian Tempel, Erding

In der Notaufnahme im Klinikum Erding herrscht Not am Mann - in mehrfacher Hinsicht. Der ärztliche Leiter der Notaufnahme, Stefan Hartl, der erst im April mit großem Bohei als enormer Glücksfall im Klinikum vorgestellt worden war, hat nach nur drei Monaten Dienst das Handtuch geworfen und Erding schon wieder verlassen. Nach Informationen der SZ hat Hartl massiv frustriert und schwer enttäuscht aufgegeben: Die Bedingungen, die er in Erding vorfand, waren und sind unterentwickelt und werden dem Selbstbild des Krankenhauses - "Spitzenmedizin ganz nah" - kaum gerecht. Die Zusage der Klinikleitung an Hartl, er könne die Notaufnahme mit einer zeitgemäßen Organisation und vor allem mit mehr Personal neu aufstellen, wurden nicht erfüllt. Und so ändert sich nichts daran, dass Patienten weiterhin nicht selten viele Stunden, manchmal sogar die ganze Nacht hindurch in der Erdinger Notaufnahme auf eine Behandlung warten müssen.

Als Hartl seinen Posten antrat, wusste er, dass die Notaufnahme hier noch in alter Manier geführt wird. So wie man es seit Jahrzehnten gemacht hat - und nach Ansicht vieler Klinikexperten seit Jahren nicht mehr tun sollte: Die Notaufnahme hat keine eigenen Ärzte, sondern die Chefärzte der chirurgischen und internistischen Abteilungen stellen ihre Ärzte mehr oder minder missmutig für den Dienst auf der Notaufnahme ab - weil das eben sein muss, weil es nicht anders geht und weil es schon immer so war.

Das sollte mit Hartl anders werden. Mit der Klinikleitung war abgemacht, dass Hartl ein eigenes Ärzteteam bekommen werde. Das war die Bedingung, unter der er überhaupt nach Erding kam: Ein eigenes Team für die Notaufnahme, so wie es in anderen Krankenhäusern längst normal ist und sich als sinnvoll erwiesen hat.

Auch in Erding besteht Handlungsbedarf: In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Patienten, die in die Notaufnahme des Klinikums kommen, stark gestiegen. Die Klinikverantwortlichen, Vorstand Sándor Mohácsi und Landrat Martin Bayerstorfer (CSU), haben das schon mehrmals thematisiert. Jedoch stets nur unter dem Gesichtspunkt, dass der Anstieg der Patientenzahl eine wirtschaftliche Belastung sei und einen großen Teil des jährliche Defizits des Klinikums ausmache. Die Notwendigkeit, die Notaufnahme personell zu verstärken und neu zu organisieren, trat da in den Hintergrund.

Die mit Hartl angebahnte zeitgemäße Erneuerung der Notaufnahme ließ sich in Erding aber nicht durchsetzen. Chefärzte im Haus weigerten sich, Ärzte ihrer Abteilungen für die Notaufnahme herzugeben. Sie pochten darauf, dass ihre Abteilungen selbst personell auf Kante genäht sind und sie niemand abgeben könnten. Die Realität sah und sieht deshalb so aus: Ärzte müssen zwischen Notaufnahme und Stationen hin und her pendeln, sie sind gleichzeitig hier und dort zuständig.

Klinikvorstand Mohácsi sagt, der Aufbau eines Notaufnahme-Team sei weiterhin ein Ziel, auch wenn Hartl nicht mehr da sei. Allerdings sei das leider schwer zu realisieren. Man suche bereits seit Monaten mit Hilfe einer externen Personalagentur, die viel Geld koste, nach Ärzten für die Notaufnahme und finde doch keine. Das Nahziel sei, wenigstens "drei bis vier Ärzte" fest für den Notaufnahmebetrieb von Montag bis Freitag einplanen zu können. An den Wochenenden bleibt es vorerst bei einer minimalen personellen Besetzung. Hartl hatte ein eigenes Notaufnahmeteam mit etwa einem Dutzend Ärzten im Sinn, um den Betrieb sieben Tage in der Woche 24 Stunden abdecken zu können.

Eine Aufstockung des Personals - auch bei den Pflegekräften - scheint zudem nicht nur wegen des Anstiegs der Patientenzahlen notwendig zu s ein. In der Notaufnahme ist unlängst ein Aufnahmebereich mit fünf Betten installiert worden. Das ist grundsätzlich modern gedacht. Doch für die Betreuung und Überwachung von Patienten, die dort zur Abklärung weiterer Behandlungsschritte liegen sollen, ist noch kein zusätzliches Personal eingeplant. Auch der zuvor noch vehement beklagte Umstand, dass auch immer mehr lediglich leicht erkrankte Patienten in die Notaufnahme kämen, ist nun in Erding sogar institutionalisiert worden. Wenn um 21 Uhr die Bereitschaftspraxis der niedergelassenen Ärzte schließt, wird die Notaufnahme ganz offiziell zur kassenärztlichen Bereitschaftspraxis. Wirtschaftlich ist das für das Klinikum von Vorteil, da es mehr Geld als vorher bekommt. Für die Ärzte und Pfleger ist es eine Mehrbelastung, die nicht ausgeglichen wird.

Doch so viel mehr Personal, wie es Hartl für notwendig erachtete, will Mohácsi auf gar keinen Fall versprechen, und er wird dabei grundsätzlich: "Ökonomie ist die Wissenschaft von der Verteilung begrenzter Ressourcen." Ärztliches und pflegerisches Personal könne man ebenfalls als Ressourcen betrachten. Und: "Wir müssen mit unseren Ressourcen haushalten", sagt Mohácsi, "denn die Verschwendung von Ressourcen, die knappe Güter sind, ist unethisch."

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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