Kletthamer Reihengräber:Noch älter als gedacht

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Laut Professor Bernd Päffgen könnten die Anfänge der Kletthamer Reihengräber in die spätrömische Zeit zurückreichen. Studenten forschen weiter

Von Antonia Steiger, Erding

Die Gräber des Kletthamer Reihengräberfeldes, das im Jahr 1965 entdeckt worden ist, haben noch lange nicht alle Informationen preisgegeben. Unter der Anleitung des Münchner Professors Bernd Päffgen befassen sich Studenten an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Teilaspekten der Gräber. Zum Beispiel mit der Frage, welche Rückschlüsse einige Textilfunde zulassen. Beim 3. Archäologischen Sommersymposium präsentierten sie ihre Forschungsergebnisse. Im voll besetzten Foyer lauschten ihnen etwa hundert Zuhörer.

Archäologie wird in Erding mit einer außerordentlichen Hingabe betrieben, das betonte Päffgen in seiner Ansprache. Es sei nicht selbstverständlich, dass man sich um die Erforschung der Gräber so intensiv kümmere. Dieses Lob ging nicht nur an den Archäologischen Verein mit seinen vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern, sondern auch an die Stadt Erding, die dem Reihengräberfeld viel Platz in ihrem Museum eingeräumt hat und die seit 2013 das Forschungsprojekt "Erding im ersten Jahrtausend" auch finanziell begleitet. Dass man in Erding zeitnah Forschungsergebnisse an die Öffentlichkeit bringen könne, wie Museumsleiter Harald Krause sagte, das liegt auch daran, dass Päffgen einzelne Aspekte zu Themen von Bachelor- und Masterarbeiten macht. Man brauche einen langen Atem für solch ein Projekt, sagte Päffgen. Und es wäre ein falscher Stolz, "wenn man alleine arbeiten wollte". Auf diese Weise wird dem Projekt auch überregional Beachtung geschenkt, zum Beispiel bei einer Tagung über Reihengräber im Februar 2015 in Mannheim, bei dem das Bundesland Bayern durch "Das Projekt Erding" repräsentiert wurde. In der Dokumentation wurde dem Erdinger Projekt sogar eine höhere Seitenzahl zugebilligt als dem aus Baden-Württemberg. "Das erfüllt uns mit Stolz", sagte Päffgen unter dem wissenden Gelächter des fachkundigen Publikums.

Tatsächlich könnte es durch die Forschungsarbeiten auch zu einer Neubewertung des Kletthamer Reihengräberfeldes kommen, wie Päffgen erklärte. Es geht um die Frage, in welchen Zeitraum der Beginn der Grablegungen zu legen ist. Sollte der Beginn auf die Zeit um 430 datiert werden müssen, handelt es sich in Klettham nicht um bajuwarische Reihengräber, sondern um spätrömische Gräber, aus denen bajuwarische Reihengräber hervorgegangen seien. Doch müsse man vorsichtig sein bei einer solchen Deutung, sagte Päffgen. Unstrittig ist jedoch, dass Klettham in dieser Zeit "mit der Welt vernetzt war". Das belege der "überraschende" Fund von hochwertigem Geschirr aus Tunesien in einem Grab. Ein Fund, der sonst nur an so zentralen Punkten Regensburg nachzuweisen sei. Ebenso ist der Nachweis der Justitianischen Pest in einem Doppelgrab ein Beleg dafür, dass die Menschen im Austausch mit Menschen aus ganz anderen Regionen der Welt standen.

Die Ergebnisse seiner soeben fertig gestellten Bachelorarbeit über "Lagefunde in waffenführenden Männergräbern" präsentierte Andreas Metzl den Besuchern des Symposiums. Er erklärte, dass die meistern Krieger in West-Ost-Richtung auf dem Rücken liegend bestattet wurden. Manche hatten wenige Grabbeilagen, andere seien sehr gut ausgestattet gewesen. Einige hatten kurze Schwerter (Saxe) bei sich und trugen sie im linken Arm wie bei einer Parade. Die dadurch dokumentierte enge Beziehung zwischen Krieger und Waffe deutet laut Metzl auch auf eine spätrömische Zeit hin. Mit Grabmanipulationen befasst sich Nepomuk Amberger in seiner Bachelorarbeit, bei der er erst am Anfang steht, wie er sagte. Er gab einen Überblick über mögliche Gründe von Grabmanipulationen: Denkbar sind Erosionen und die Arbeit von Kleintieren im Boden wie auch Plünderungen, Ahnenkult oder die Ächtung des Toten. Daten zu Textilfunden aus Reihengräberfeld hat sich Elisabeth Steinbauer vorgenommen. Ihr Ergebnis: In Frauengräbern finden sich häufiger Leinentücher, in Männergräbern häufiger Flachs. Anhand von Fadendichte und Fadenstärke lässt sich außerdem sagen, dass die Menschen in Klettham nicht besonders wohlhaben waren. Dass es überhaupt Textilfunde gibt, zeugt laut Päffgen vom Weitblick des Archäologen Walter Sage, der in Klettham gegraben hatte. Denn damals, so Päffgen, hätten Archäologen noch häufig verlangt, dass man eine Spange erst mal "schön sauber machen" solle.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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