Erding:Mittendrin im Alltag

Die Lebenshilfe Erding hat in einem geräumigen Wohnhaus in Williamsville eine Wohngemeinschaft für geistig behinderte Menschen eingerichtet

Von Mathias Weber

Erding: Zur Besichtigung und Einweihung der Wohngemeinschaft war auch Landrat Martin Bayerstorfer (links) gekommen. Das Probesitzen im Wohnzimmer machte deutlich: Hier lässt es sich leben

Zur Besichtigung und Einweihung der Wohngemeinschaft war auch Landrat Martin Bayerstorfer (links) gekommen. Das Probesitzen im Wohnzimmer machte deutlich: Hier lässt es sich leben

(Foto: Bauersachs)

Als Wohngemeinschaft solle man das Haus begreifen, sagt Colleen Duvos von der Lebenshilfe Erding. Und wie in jeder WG werde es nur richtig funktionieren, wenn sich alle ein wenig um alles kümmern. Die einen kochen, die anderen putzen und jemand kümmert sich um die Wäsche. Die Lebenshilfe Erding, die im Landkreis Werkstätten und Wohnraum für Menschen mit Behinderungen schafft und erhält, geht mit der Wohngemeinschaft im Erdinger Stadtteil Williamsville einen neuen Weg: Möglichst viel Selbständigkeit und Eigenverantwortung der Bewohnern für ihren gemeinsamen Haushalt und im Hintergrund dennoch rund um die Uhr garantierte, individuelle Betreuung.

Anfang des Jahres hat die Lebenshilfe das Haus in der Drechslerstraße angemietet. Die ersten drei Bewohner wohnen dort schon seit einigen Monaten. Doch jetzt ist ihr Haus mit einem Festakt offiziell eröffnet, von zwei Pfarrern gesegnet und der Öffentlichkeit, vor allem den Nachbarn, vorgestellt worden. Nachbarn gibt es viele in der Drechselerstraße. Denn das Haus steht nicht abseits, sondern mitten in einem Wohngebiet.

Die Nachbarn seien anfangs schon etwas skeptisch gewesen, sagt Duvos. "Aber das liegt daran, dass sie nicht einschätzen konnten, was auf sie zukommt." Mittlerweile hätte man jedoch viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben, sich bei den Nachbarn vorgestellt und das Konzept der WG erklärt. Vorbehalte gäbe es jetzt keine mehr.

Die Mitglieder des Lebenshilfe-Vereins sind sich einig: Die Anmietung des Wohnhauses war ein absoluter Glücksgriff. Lange hätte die Lebenshilfe nach so einer Immobilie gesucht, sagt Duvos. Dass man sie gefunden haben, sorge auch für Planungssicherheit - der Mietvertrag läuft über 20 Jahre. So könne das Projekt zu einer festen Einrichtung werden. In Erding genau so ein Haus zu finden, das die richtige Größe hat und finanzierbar ist, sei fast unmöglich gewesen.

Und doch: Der Vermieter des Hauses, das man durchaus als Villa bezeichnen könnte, ist äußerst kooperativ. Er selbst ist umgezogen und möchte die Lebenshilfe unterstützten. Er verlangt nicht übermäßig viel Miete und hat ein paar bauliche Veränderungen an seinem Haus vornehmen lassen, etwa einen zusätzlichen Fluchtweg und Rauchmelder. Ansonsten ist alles so, wie es immer war: Großzügige Zimmer, vier Bäder, hochwertige Ausstattung mit sämtlichen Einbaugeräten, im Wohnzimmer Parkett, in der Küche Marmor. Das siebenköpfige Betreuerteam, von denen die meisten halbtags arbeiten, kann an schönen Tagen vom Betreuerzimmer aus den Blick in die Alpen genießen.

Finanziert wird das Projekt vom Bezirk Oberbayern, der die Selbstversorgung, die Betreuung und die Miete bezahlt. "Natürlich muss man um jeden Euro kämpfen", sagt Duvos, aber es hat doch geklappt. Richtig lohnen werde sich das Haus allerdings erst, wenn alle Zimmer voll belegt sind. Auch der Bezirk hat sich erfreut gezeigt, dass mit dem Haus in Williamsville Inklusion gelebt wird. Mitten im Wohngebiet - mehr Teilnahme am alltäglichen Leben gehe kaum. Und darin unterscheidet sich das Haus eben auch von anderen Einrichtungen der Lebenshilfe Erding. Im Edeltraud-Huber-Haus in der Freisinger Straße, in der mehr als 30 Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung leben und rund um die Uhr betreut werden, sei es schwierig, ein "normales" Leben zu organisieren, sagt Duvos. Dort gäbe es eben Dinge, die nichts mit dem Alltag in einer Wohngemeinschaft zu tun hätte, wie eine Großküche oder eine Wäscherei.

In dieser Woche wird ein vierter Bewohner einziehen. Im kommenden halben Jahr rechnet die Lebenshilfe damit, dass alle Zimmer belegt sind. Dann wird aus der noch kleinen WG eine ziemlich große.

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