Schule:"Mit Zwang geht es nicht"

Schule: Geteiltes Leid ist halbes Leid: Wenn man schon in den Ferien lernen muss, dann wenigstens nicht alleine.

Geteiltes Leid ist halbes Leid: Wenn man schon in den Ferien lernen muss, dann wenigstens nicht alleine.

(Foto: Christian Endt)

Nachhilfe ist gefragt wie noch nie - deshalb werden die Angebote nicht nur in den Pauk-Studios, sondern auch an den Schulen selbst ständig ausgebaut. Und bei Prüfungen kann ein gewisser Mut zur Lücke durchaus nützlich sein

Von Tanja Kunesch, Erding

Trotz Ferien müssen viele Schüler noch über ihren Büchern brüten. Viele Nachhilfeinstitute bieten zusätzliche Kurse an, um sie auf ihre Abschlussprüfungen vorzubereiten. Nachhilfeeinrichtungen und Schulen bekommen seit Jahren immer mehr Nachfragen und haben ihr Angebot weiter ausgebaut.

Um 22 Prozent ist die Schülerförderung der Volkshochschule Erding im vergangenen Jahr gestiegen. Erstmals buchten mehr als 1000 Teilnehmer eine Nachhilfe. Die größte Nachfrage kommt von Schülern der Beruflichen Oberschule in Erding, gefolgt von Gymnasiasten und Mittelschülern. Anfragen für Grundschüler lehnt Jürgen Ettenauer uneingeschränkt aus Gründen der Moral ab. Nicht im Angebot sind außerdem reine Lernfächer wie Kunstgeschichte. Mathe und Englisch gehören zu den am gefragtesten Fächern. In Blöcken von fünf bis sechs Wochen können Schüler den Lernstoff vertiefen, in Gruppen von maximal fünf Teilnehmern. Zusätzlich gibt es in den Ferien Intensivkurse: An sechs Terminen können sich Schüler auf ihren Abschluss vorbereiten und in Prüfungssimulationen ein Gefühl für den tatsächlichen Testablauf bekommen.

Wichtig ist für Ettenauer der Beweggrund für eine Nachhilfe: "Mit Zwang geht es nicht." In der VHS werde eine Atmosphäre geboten, in der Spaß am Lernen möglich sei. "Deswegen sind unsere Kurse auch so beliebt", sagt er. Dass die Nachfrage in den vergangenen Jahren gestiegen ist, hat für Ettenauer mehrere Gründe. Der Begriff "Nachhilfe" sei entstigmatisiert worden, und das gesamte gesellschaftliche Bild habe sich verschoben, weg von einer Wertschätzung für Handwerksberufe. Da sei eine Umbenennung nur wenig zielführend, sagt er. Aus einem ehemals guten Mittelschüler sei ein schlechter Realschüler, aus einem guten Realschüler sei ein schlechter Gymnasiast geworden. "Das ist leider Realität", sagt Ettenauer.

Immer mehr Schüler gehen auch zur Schülerhilfe Erding: seit 2014 sind es im Schnitt 150 Interessenten. Die meisten kommen aus der siebten bis neunten Jahrgangsstufe, von der Grundschule bis hin zum Gymnasium sind alle Schultypen vertreten. Dieses Jahr bereiten sich dort 35 Schüler auf ihren Quali und Realschulabschluss vor. Jeder werde einzeln betreut, weil jeder unterschiedliche Verständnisprobleme habe, sagt Gebietsleiterin Manuela Neumair. Die Schüler sollen ihre Lücken schließen und den aktuellen Stoff verstehen. Ziel sei es, dass sie selbstständig und effektiv lernen. Circa 70 Prozent der Schüler brauchen Nachhilfe in Mathematik. Die meisten Kurse sind ausgebucht.

Der Studienkreis in Erding betreut derzeit fünfzig Schüler. Alle Schultypen werden angeboten, die Nachfrage von Realschülern und Gymnasiasten aus den sechsten und siebten Klasse sei am größten, sagt Cristobal Bolbrügge vom Studienkreis. In der Regel sitzen zwei bis vier Schüler in einem Kurs. Der dauert einen Monat, doch die meisten bleiben zwischen sechs und acht Monaten im Studienkreis. Die größten Probleme haben die Schüler mit den Hauptfächern Mathe, Englisch und Deutsch. In den Pfingstferien bietet der Studienkreis viele Sondervorbereitungskurse für die Abschlussprüfungen an. Bolbrügges Tipp in Prüfungen: Mut zur Lücke - und Ruhe bewahren.

Die Schulen selbst haben die unterschiedlichsten Angebote: An der Mittelschule in Erding gibt es ganzjährig kostenlos Prüfungsvorbereitungen. Für die neunten Klassen sowohl im Regelbereich als auch im M-Zug bedeutet das vier zusätzliche Stunden in der Woche, für die zehnten Klassen fünf. Die Anmeldung erfolgt meistens nach den ersten Proben im Schuljahr: Hat ein Schüler die Note vier oder schlechter, sollte er den Kurs besuchen. Konkrete Zahlen hat Schulleiterin Petra Leubner nicht vorliegen, aber die Zusatzstunden werden sehr gut angenommen, insbesondere in Mathe, Englisch und Deutsch.

Die Herzog-Tassilo-Schule hat vor einigen Jahren das Programm "Schüler helfen Schüler" ins Leben gerufen. Hier melden sich gute Schüler der Oberstufe an, und geben anderen Nachhilfe. Wie viele derzeit das Angebot nutzen, kann die zuständige Lehrkraft nicht genau sagen. Zwanzig Schüler sind derzeit als Nachhilfetutoren tätig. Am häufigsten brauchen Sechst- und Siebtklässler Unterstützung, in Mathe, Englisch und Deutsch. Der Preis für die Stunden wird individuell nach Jahrgang und Schülerzahl im Kurs festgelegt, Einzelstunden sind eher die Ausnahme.

Leistungsschwache Schüler des Anne-Frank-Gymnasiums können kostenlos Nachhilfe in der Nachmittagsbetreuung der offenen Ganztagsschule buchen. In einer Gruppe sitzen im Schnitt zwei bis drei Siebt- oder Achtklässler. Die neunten und zehnten Klassen können in der "individuellen Lernzeit" ihre Grundlagenlücken aufarbeiten. Zusätzlich können sich Oberstufenschüler in einer knapp 40-stündigen Schulung in Theorie und Praxis zu einem Schülercoach mit Zertifikat ausbilden lassen. Die Nachhilfe wird nach einem einheitlichen Satz abgerechnet. Am häufigsten Unterstützung brauchen Schüler am Anne-Frank-Gymnasium in Mathe, Physik und Latein. Die Projekte laufen relativ selbstständig und werden alle sehr gut angenommen. Das zeige sich auch an den sinkenden Durchfallquoten, sagt Schulpsychologe Alexander Geist.

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