Erding:Landrat streicht Flüchtlingen das Bargeld

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  • Martin Bayerstorfer (CSU) glaubt, dass "Bargeld falsche Anreize" schaffe.
  • Der Kreis Erding führt deshalb einen "Kommunal Pass" ein.
  • Bezahlen können Flüchtlinge damit wie mit einer EC-Karte - abheben können sie damit aber nichts.

Von Florian Tempel, Erding

Die umstrittenen und einzigartigen Kleidergutscheine für Flüchtlinge wird es im Landkreis Erding nicht mehr geben. Im Landratsamt hat man sich etwas Neues und wohl ebenso Einzigartiges ausgedacht: Von Mai an erhalten alle der etwa 1400 hier lebenden Flüchtlinge überhaupt kein Bargeld mehr. Sie bekommen laut Auskunft der Pressesprecherin des Landratsamts, Claudia Fiebrandt-Kirmeyer, "eine Art Prepaid-Kreditkarte", auf die das ihnen zustehende Geld gebucht wird, "da kommt das ganze Geld darauf."

Mit der "Kommunal Pass" genannten Karte könne man wie mit einer normalen EC-Karte einkaufen gehen. Bargeldabhebungen sind aber nicht möglich. Dabei wäre ein anderer Weg, der in vielen Landkreisen längst gehandhabt wird, viel einfacher: Überweisungen auf ein Konto. Im Landkreis Erding besitzen nach Schätzung der Arbeitsgruppe Asyl schon etwa 60 Prozent der Flüchtlinge bereits ein Bankkonto.

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Bislang wurde der größte Teil der im Asylbewerberleistungsgesetz genau festgelegten Beträge im Landkreis Erding bar ausgezahlt. Ein alleinstehender Erwachsener hat laut Gesetz Anspruch auf 354 Euro. Im Landkreis Erding wurde davon bislang der Teilbetrag von 34 Euro für Kleidung und Schuhe abgezogen und in Form von Gutscheinen ausgegeben. Das bayerische Sozialministerium hat aber bereits im vergangenen Jahr festgestellt, dass die Ausgabe von Kleidergutscheinen nicht gesetzeskonform ist. Das Gesetz sieht vorrangig "Geldleistungen" vor und erlaubt ein Abweichen von diesem Grundsatz nur in begründeten Einzelfällen.

Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) vertrat jedoch weiterhin die Position, dass "Bargeld falsche Anreize" schaffe. Er weigerte sich monatelang, die Kleidergutscheine abzuschaffen. Nun tut er es zwar doch, schafft aber zugleich ein Modell, dass überhaupt keine Bargeldauszahlung mehr vorsieht. Juristen des Landratsamts hätten das System geprüft, sagte Fiebrandt-Kirmeyer. Man weiche damit nicht vom Grundsatz der "Geldleistungen" ab - man gebe nun eben bargeldloses Geld aus.

Nach Ansicht des Landratsamts bietet die neue Karte den Flüchtlingen eine Menge Vorteile. Die Bargeldauszahlungen, zu denen sie sich einmal im Monat in langen Schlangen anstellen mussten, fallen weg. Praktisch sei auch eine Handy-App, mit der man jederzeit nachschauen könne, über wie viel Geld man verfügt. Und falls man die Karte verliere, könne man sie sofort sperren lassen. "Auch das ist ein Vorteil, denn wenn man sein Bargeld verliert ist es halt weg", sagte Fiebrandt-Kirmeyer.

Andere Landkreise überweisen das Geld einfach

Mit der Karte könne man in jedem Geschäft bezahlen, das über ein normales EC-Kartenlesegerät verfüge. Nur eines gehe nicht: Bargeldauszahlungen seien "erst mal nicht vorgesehen", sagte Fiebrandt-Kirmeyer. Möglicherweise könne man sich jedoch in bestimmten Supermärkten zusätzlich zu einem Einkauf Bargeld auszahlen lassen - um so an Geld für Busfahrkarten oder ein Eis für die Kinder zu kommen. Hinter der Prepaid-Karte steht kein Bankkonto. Das Landratsamt arbeitet bei seiner Flüchtlings-Kreditkarte mit dem Dienstleistungsunternehmen Sodexo zusammen, das auch Tankstellenkarten oder Restaurantkarten ausgibt.

Das Landratsamt Freising hat die Bargeldauszahlungen fast vollständig abgeschafft, aber ganz anders: Indem dort fast alle Flüchtlinge ein Konto "bei einer Bank ihrer Wahl" eröffnet haben, sagte Pressesprecherin Eva Dörpinghaus. Auf diese Konten werde nun das den Flüchtlingen zustehenden Geld überwiesen. Von 2000 Freisinger Flüchtlingen hätten nur ein Prozent kein eigenes Konto. Auch in den Landkreisen Mühldorf und Altötting bekommen schon mehr als die Hälfte der Flüchtlinge ihr Geld überwiesen.

Die Sparkasse Altötting-Mühldorf führt 1350 Konten für Flüchtlinge. Sparkassensprecherin Katrin Zinsberger erklärte, es handle sich um Guthaben-Konten für 6,90 Euro im Monat, die nicht überzogen werden können. Sonst sei alles möglich, was normal ist: Bargeldabhebungen in Filialen oder an Geldautomaten, Überweisungen und Daueraufträge.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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