Erding:Kampf gegen die Lobby

In Erding gibt es weiterhin überdurchschnittlich viele Glücksspielautomaten. Die Beratungsstelle Prop hilft Suchtopfern

Von Florentine Kary

Erding - Sarah Konietzko klingt resigniert, wenn sie von den Gesetzen gegen die Spielhallen im Landkreis spricht. "Es gibt keinen wirklichen Schutz für die Spieler", sagt die Sozialpädagogin von der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Erding Prop. Glücksspiel ist ein Problem in Erding, der Landkreis hat mit knapp 20 überdurchschnittlich viele Automatenkasinos. Deshalb wird Konietzko bald wieder die Menschen in der Innenstadt auf die Gefahren hinweisen, die das Glücksspiel birgt. Und ihnen ihre Hilfe anbieten: Am bundesweiten Aktionstag gegen Glücksspielsucht am 23. September.

Das Problem, sagt Konietzko, sei eine starke Lobby, die erfolgreich gegen die Durchführung des 2012 verabschiedeten Glücksspielstaatsvertrages ankämpft. So gibt es immer noch keine Sperrstunde, die Öffnungszeiten sind bei manchen Spielhallen mit bis zu 23 Stunden entsprechend lang.

2014 lag der Schnitt in Erding bei einem Spielgerät für 171,15 Einwohner, insgesamt 201 Geldspielgeräte gibt es auf mehr als 10 Standorte verteilt. Verglichen mit der Einwohnerzahl von 34 000 eine hohe Dichte. 2014 waren offiziell 35 Spieler bei der Beratungsstelle von Prop in Erding in Betreuung. In Bayern wird die Zahl der pathologischen Glücksspieler auf insgesamt 37.000 geschätzt. Doch die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein.

Der Landkreis Erding ist für viele Betreiber von Spielhallen vor allem aufgrund der Nähe zum Flughafen ein lukrativer Standort. Konietzko vermutet - auch aufgrund ihrer täglichen Erfahrung -, dass vor allem Schichtarbeiter des Flughafens von der Glücksspielsucht betroffen sein könnten. Nach deren Schichten sind Spielhallen oft die einzigen Einrichtungen, die noch offen haben. "Pauschalisieren darf man das natürlich nicht."

Konietzko warnt davor, sich von Süchtigen in der Familie oder im näheren Umkreis "in das System ziehen zu lassen." Unterstützung durch die Familie sei zwar für die Betroffenen wichtig. Trotzdem solle man sich auch selbst schützen, Angehörige nicht etwa beim Arbeitgeber decken. Die Landesstelle für Glücksspielsucht bietet auch Beratungsstellen für Angehörige an.

Glücksspieler kämpfen oft nicht nur gegen ihre Sucht, sondern auch gegen Begleiterscheinungen. Sie bekommen Depressionen oder entwickeln Ängste. Therapien seien deshalb dringend notwendig, sagt Konietzko. Sie selbst bietet momentan zwar noch keine Therapie an. Doch einen entsprechenden Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung hat sie gestellt.

Spielsucht gilt als anerkannte Sucht, genau wie eine Alkohol- oder Drogensucht. Die Reha wird deshalb von der Versicherung übernommen. Ambulante Therapien gibt es zwar auch, die Abbruchquote sei hier aber um einiges höher, "viele Spieler können das nicht durchhalten," erklärt Konietzko. Stationäre Behandlungen bieten aber nur spezielle Kliniken an. An der Fachklinik Furth im Wald gibt es etwa ein Begleitangebot bei Alkohol- und Spielsucht, ebenso an den Kliniken in Annabrunn bei Mühldorf und in Münchwies.

Von den Spielhallen erwartet Konietzko keine große Unterstützung. Die seien zwar dazu verpflichtet, Flyer und Informationsmaterial auszulegen. Die Verantwortung tragen die Spieler selbst. Deshalb wird Konietzko am 23. September in der Innenstadt stehen, von 9 Uhr bis 12 Uhr vor der Musicworld, gemeinsam mit der Psychologin Dorina Barta. Und hoffen, dass ihr die Menschen zuhören.

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